Mar 26, 2009

Wir nannten es Arbeit XVI

Seit dem 01.10.2008 sind Sie als Praktikant in unserem Unternehmen tätig. Wir sind gerne bereit, Ihr Praktikum bis zum XX.XX.2009 zu verlängern. Ihr Urlaubsanspruch bleibt unverändert bei insgesamt 10 Tagen.

Mar 24, 2009

Krieg der Zeitungen

Nicht genug damit, dass die Zeitungen in der Krise um ihr Überleben kämpfen; jetzt wird auch noch darüber gestritten, wie sie denn zu retten seien. Da werden düstere Zukunftsbilder gemalt, hier werden etwas frohere Visionen präsentiert, und in all diesem Hin und Her wird an dritter Stelle nochmal konstatiert, dass die papierne (nicht notwendigerweise täglich erscheinende) Form der Wissensspeicherung soviele Vorzüge hat, ja, sich damit sogar Amokläufe verhindern liessen. Ganz abgesehen vom erotischen Charakter eines mit Büchern vollgestopften Zimmers, das man dann «seine Bibliothek» nennen darf.

Also wirklich! Das gerade wieder mal im europäischen Markt angelangte eBook weckt Emotionen. Schon wieder wird der Tod der Zeitungen herbeiprophezeit. Das hatten wir alles schonmal. Und damals lautete die Grussformel an den Print-Sensemann: Mehr Diversifikation des alten Mediums, und mehr Qualität. Gleiches gilt allerdings auch für online-Berichterstattung. So, wie in diesen Blogs teilweise pauschal abgeurteilt wird, muss es ganz den Anschein haben, als ob sich die Journalisten-Branche gleich selbst ins Grab redet.

Hauptstadt-Träume

Gestern das erste Mal von der FU geträumt. Irgendwie bin ich in komischen Bars unterwegs gewesen, es wurde viel Aserbaidschanisch geredet, irgendwie war das Studentenleben wieder komplett neu und auch das Brennen von CDs hat nicht so geklappt, wie ich das von mir kannte.

Mar 23, 2009

Wer schneller lebt, ist früher tot.

Kann ich nicht oft genug wiederholen.

Mar 22, 2009

Malen nach Zahlen

Vielleicht wird das Jahr 2009 schlussendlich positiv in Erinnerung bleiben, weil viele Menschen ihr Zahlenverständnis mal um einige Grössenordnungen nach oben erweitert haben. Diesen Eindruck hat zumindest, wer im Wirtschaftsteil der Samstagsausgabe eine Erklärbox findet, in der nochmal der Reihe nach aufgezählt wird:

Million - 1'000'000
Milliarde - 1'000'000'000
Billion - 1'000'000'000'000
Billiarde - 1'000'000'000'000'000
usw.

Kleinlich dagegen erscheinen die vom Autor geäusserten Bedenken bezüglich der Sprachen- oder wohl eher Zahlenverwirrung zwischen Deutsch und Englisch. Was den Anglosachsen nämlich die «billion» ist, wird bei uns noch «Milliarde» genannt. Wo ist da der Unterschied, wenn in derselben Zeitung schon im Deutschen die Begriffe «Million» und «Milliarde» vertauscht werden, so wie am Donnerstag bei der Berichterstattung über die Konjunkturhilfen. Auf der nach oben ohnehin offenen Finanzmarktstabilisierungsskala ist diese Differenz unbedeutend. Immerhin plädiert der Autor anschliessend dafür, dass die Finanzmärkte auf jene Zählweise zurückgreifen sollten, die auch in der Naturwissenschaft Verwendung findet: das Zählen in Potenzen. Wenn die Banken gleich zu Beginn einige echte Mathematiker eingestellt hätten, wäre es vielleicht gar nicht erst zu dieser Krise gekommen.
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Apropos Krise: aus der F.A.S.

«Wenn noch mal irgendwer das Wort "Krise" in den Mund nimmt, kriegt er von uns ein Buch an den Kopf, und wenn er Pech hat, ist es das von Kurt Beck. Einem muss ja jetzt endlich mal die Schuld gegeben werden an der miesen Lage und an der miesen Laune; und wenn es die Banker nicht sind und der Kapitalismus nicht sein darf - wir hätten da durchaus jemanden auf dem Kieker: Denn wenn die Bankenkrise in Wahrheit eine Vertrauenskrise ist, dann ist das zwar möglicherweise
auch ein Problem für die Wirtschaft, eigentlich nennt man den Sachverhalt aber Literatur, und zwar schlechte: Um beim besten Willen nicht mehr daran glauben zu können, was an Versprechungen so alles auf Papier gedruckt wird, braucht man noch nicht mal unbedingt eine Aktie, ein Zertifikat oder einen Geldschein - das Gesamtwerk von Hans-Olaf Henkel tut es zum Beispiel auch.»

the happening world

Gestern mal wieder im Corpshaus der Studentenverbindung gewesen zur East End Party, wo ausser den Verbindungsstudenten selber und vielleicht 10 Gästen niemand aufgekreuzt ist. Vermutlich hat viele abgeschreckt, dass ein Smoking vorgeschrieben war. Damit wollten die Gastgeber wohl verhindern, dass die Party zu schnell ausartet, effektiv haben sie nur erreicht, dass kaum jemand kam und sich der harte Kern ohnehin gut die Gurgel geölt hat. Der harte Kern - das sind jene Verbindungstypen, die vom Verhalten her entfernt an Dinosaurier erinnern und in den Gängen und Hallen des Corpshauses herumstolzieren wie Ritter in ihrer Rüstung. Soviele gute Eigenschaften eine Burschenschaft auch haben mag - gestern waren die schlechtesten recht offensichtlich. Die Musik war mieser als auf Wohnheimfeiern, die Frauenquote lag im einstelligen Bereich, die an der Bar getesteten Cocktails waren schrecklich (Gin Fizz: zu wässrig, weiss-schaumig wie ein Milchshake; beim «Martini-Cocktail» war höchstens das Glas Cocktail), und wir haben uns mal wieder gefragt, warum all die Verbindungsritter nicht ihre Freundin mitbringen.

Mar 19, 2009

Koze Nummer Drei

Der Mann hat dieses Jahr noch einiges vor. Anfang März ist sein neuestes Album «Reincarnations» erschienen, auf dem er seine besten Neumischungen der bekanntesten Künstler zusammengestellt hat. Letztes Wochenende bespielte er in einem frischen, verästelten Stil das Watergate, und in zwei Wochen legt er als Adolf Noise im Mannheimer Planetarium auf. Wir sind gespannt - und stellen uns einen kultivierten Abend vor, der um acht Uhr beginnt. Wir werden mit Funk-Sennheisern in bequemen Liegen liegen, die 360°-Leinwand beschauen und den Klängen lauschen, die sich zusammensetzen aus Ambient, Hörbuch-Exzerpten und dem Schuss drängenden Minimal, der zu Koze dazugehört wie die Butter aufs Brot.

Vorverkauf bei lautstark Records in Mannheim, M 4,5.

Ausserdem von ihm: Wenn man ein Mädchen kennenlernt. Sehr sehenswert.

Mar 18, 2009

Abecederia

Im September 2008 mieteten sie noch Webspace und hielten mit Smartphones Fotos, Videos und Texte fest, die sofort verbloggt wurden, um der Gefolgschaft daheim in Deutschland einen Eindruck von der Ukraine zu vermitteln.

Seit Januar 2009 mieten sie nun Factoryspace und betreiben das Betahaus, ein Desk-sharing/Co-working/Kaffeehaus-Projekt in Kreuzberg.

Über das Radio

Es kam mit den gelegentlichen Spritztouren bei Mitfahrgelegenheiten und natürlich durch die Arbeit im Labor, wo nebenan ständig SWR3 dröhnte, dass ich mich zum ersten Mal näher mit dem Phänomen Radio auseinandersetzen musste. Bisland hatte ich ja keines gehört, die Musik war zu sehr Mainstream, die Kommentatoren vielleicht oft witzig, die Berichte schnittig, aber insgesamt war es nicht das Hörvergnügen, das ich suchte. Nun aber habe ich Hörerfahrung gesammelt, und kann UKW besser einschätzen. Ich habe herausgefunden, dass im Auto der Rundfunk tatsächlich hilfreich und notwendig ist mit seinen Stauwarnungen und Verkehrsmeldungen. Nachts, im Dunkel des Thüringer Waldes, auf der Rückfahrt nach Mannheim, begriff ich die Radiostationen als die Sendemasten der Zivilisation, die in jedes Nirgendwo der Bundesrepublik funken, wo sich Autobahnen schlängeln und einsame Fahrer schweigsam durch die Zeit fahren, sich nach Unterhaltung sehnend. Während es die Kurzweiligkeit des Fahrens garantiert, dass man keinen Koller beim Zuhören bekommt durch die oft sehr beschränkte Musikauswahl (SWR3 ist da so etwas wie ein Paradebeispiel, dennoch wirbt der Sender mit «Der beste Musikmix aller Zeiten», und ausgerechnet SWR3 wurde von der Media-Analyse 2009 I als der meistgehörte Radiosender in Deutschland identifiziert), so ist die Rotation im Labor unerträglich. Ich erinnere mich noch daran, dass auf der Höhe von Frankfurt ein Scooter-ähnliches Gedudel lief, zu diesem Zeitpunkt stand meine schlechte Bewertung des Radios endgültig fest. Die Fahrerin meinte bloss, das sei ein Lied aus ihrer Jugend, also den 80ern. «Ein Glück», dachte ich, also wird das nicht so häufig gespielt. Ich weiss jetzt aber, dass es jeden Tag mindestens dreimal läuft. Ähnlich ist es mit der Werbung, deren Sprichworte und Slogans ich beim ersten Mal noch mit Befremden und vielleicht auch etwas humorvoll auffassen kann, nach hundertmal haben sie aber bereits ihren Weg ins Unterbewusste gefunden. Wäre ich nicht komplett immun dagegen, fände dann die subtile Beeinflussung meiner Bedürfniswelt statt; der Slogan würde in mir weiterpochen und mich dazu animieren, bei Praktiker einzukaufen, bei Carglass, oder bei all den anderen unsäglichen Firmen.

Vielleicht ist es so, dass sich der sesshafte Mensch danach sehnt, wieder Nomade und unterwegs zu sein in der Landschaft, und aus diesem Grund das Radio benutzt, um das Gefühl der Zivilisationslosigkeit vermittelt zu bekommen. Klingen erstmal die Stichworte «A3», «A7» und «Stau und stockender Verkehr» aus dem Lautsprecher, so wird sich zuverlässig jede triste Büroumgebung irgendwann auflösen und man hat nur noch das Steuer vor sich, das blinkende Laufband des Radios am rechten unteren Rand des Blickfeldes und die im Scheinwerferlicht unter dem Auto verschwindenden Blitze des Mittelstreifens.

Mar 17, 2009

Fast Frankfurt XVI

Als ich im Bahnhof von Kiev auf meinen Zug zurück nach Berlin wartete, hatte ich Zeit, die Tage in der Ukraine zu reflektieren und nochmal rückwärts zu träumen. Ich holte mir an demselben Stand, an dem ich bei meiner Ankunft mein erstes Abendessen und Bier gekauft hatte, belegte Brötchen und einen Kaffee. Setzte mich auf einen freien Stuhl inmitten von langen Reihen wartender Menschen. Legte die Füsse auf meinen Rucksack. Nahm einen Schluck Kaffee und schloss die Augen.

Und sah das nächtliche Lichtenberg vor mir, die blaue Silhouette des Kiev-Pass-Express, die Reisegruppe vor mir. In Berlin aber hatte die Reise nicht begonnen. Meine Abschiede begannen im August, in Zürich. Von da an war es eine einzige Reise gewesen, ohne Verschnaufpause, Zwischenstop, Rastplatz. Durch diese Rastlosigkeit hatte ich einen besonderen geistigen Zustand erreicht, eine unermüdliche Aufnahmefähigkeit, durch die vielen wechselnden Schlafplätze ausserdem eine Anspruchslosigkeit, die ich mit einer festen Wohnung nie erreichen würde. Die Fremde hatte sich mir in Kiev als die abweisende, nass-kalte und undurchsichtige Einsamkeit präsentiert, als die ich sie kannte und gewohnt war. Aber durch die vielen Couchsurfing-Heimaten, durch die Vertrautheit, die in dieser Fremde so schnell geschaffen wurde von Menschen, die ich traf und begleitete, ist dieser scheinbaren Unwirtlichkeit ein Stück Sorglosigkeit entwachsen. Eine Sorglosigkeit, die mir auch die Ähnlichkeit zwischen dem Äusseren und dem Inneren in mir gezeigt hat. In dem Moment, als ich die Fremde in mir spürte, an dem Strand in Odessa, wurde mir auch bewusst, dass meine Identität eine Mischung geworden war. Die Fremde war in mir; wohnte dort als das Verständnis von Ländern und anderen Kulturen. Nur durch die Einsamkeit konnte die Fremde dorthin gelangen, sich sotief einnisten. Ich sass also zwischen den schlafenden, essenden, erzählenden Menschen in der Bahnhofshalle von Kiev, und das Wissen um ihr Land, ihre Politik, die Sehnsüchte der jungen Generation und die Traditionen der Älteren verband mich mit ihnen. Ich trank den letzten Schluck Kaffee, es war halb acht Uhr morgens. Wartete unruhig darauf, dass mein Zug ausgerufen wurde.

the happening world

Gerade aus Berlin zurückgekehrt, um dort erste Gehversuche im fremden WG-Markt zu tun, wiedermal durch Kneipen (da, da, da) zu fallen, durch schöne Menschen und den ewigen Regen, der uns in Hauseingänge flüchten liess. Die Wohnungssuche allein, sie lässt mich wieder in Erwartungen und Hoffnungen verfallen, gleich hänge ich mein Herz an die schönen Wohnungen und Innenhöfe, an die ruhige Lage, womögliche nahe Bars, an die netten Bewohner und Katzen, die ich im Seitenflügel sehe.

Mar 10, 2009

Do Chemists Dream Of Electric Sheep?

Träume erfordern Schlaf. Den ersten ausgedehnten, häufigen, mir endlos erscheinenden Schlaf habe ich in der Ukraine erlebt, wo sich mein Schlaf-Wach-Rhythmus gelegentlich demjenigen meiner Gastgeber anglich und ich länger im Bett lag, als mir lieb war. Hier lernte ich zu liegen.

Schon in der Ukraine brachte der Schlaf Träume mit sich, die mal wie halbverdaute Erinnerungsfetzen, mal wie zukunftsschwangere Ahnungen daherkamen. Sie hinterliessen ein seltsames Gefühl beim Aufwachen; es kam mir vor, als ob ich viele Stunden lang geschlafen hätte, dabei viel erlebt; dennoch waren die Erinnerungen unvollständig und die Träume meist nicht sinnvoll beendet.

Zurück aus der Ukraine, in Berlin, war der Schlaf noch etwas beinahe Freiwilliges gewesen, bei Tage war ich ohnehin etwas benommen durch das spätherbstlich schöne Wetter der Stadt gereist. In Mannheim hatte der Schlaf bereits etwas zwanghaftes, ich wurde von einer Müdigkeit überrollt, der ich mich nicht zu widersetzen wusste.

Auch wenn der Rhythmus der Arbeit genau derselbe war wie während dem Studium - ich stand um sechs auf und ging gegen 12 ins Bett - hielt ich ihn nur noch mit Mühe durch. Abends in den Bars und Kneipen fing ich gegen neun Uhr an zu gähnen. Richtig müde war ich nicht, nur dieser beängstigende Drang zu Gähnen war da.

Ich schob es auf die Haltung. Meine Haltung hatte etwas gemähliches angenommen, einen beruhigteren Takt. Die Arbeit ging leicht von der Hand, ich kam gut klar in der Stadt. Aber war das Leben wirklich ein ruhiges geworden? Mitnichten. Gerade deswegen fiel mir diese Scheinmüdigkeit so schwer. Zuhause fielen mir bei der Abendlektüre nach 20 Seiten die Augen zu, und wenn ich rausging, schlief ich zwar nicht ein, musste aber gähnen wie ein total Übernächtigter. Ich liess mich nicht von der Haltung beeindrucken - ich ging weiter aus, und gähnte eben verhalten.

KôZE


Resident Advisor Podcast

Mar 9, 2009

the happening world

Neulich in der Küche, Diskussion über Praktikantengehälter.

«Darf ich mal in aller Indiskretion fragen, wieviel du bei der BASF verdienst?»

Er durfte. Und er bekam, bei aller Indiskretion, gesagt, was ich von Praktikanten halte, die denken, sie seien mehr wert als was sich im Praktikantengehalt widerspiegelt (so wie er). Da hört Indiskretion bei mir nämlich schnell auf. Die Haltung, dass man allein durch akademische Gnaden nicht hart arbeiten müsste für sein Geld, ist so grundfalsch und so überheblich, dass genau jene Leute, die diese Haltung einnehmen, weniger bezahlt kriegen sollten. Der Gesprächspartner in der Küche war Informatikstudent und ist in die Schweiz ausgewichen, wo er bei Google ein «ordentliches» Gehalt einsackte.
Woher kommt diese Denkart, die davon ausgeht, dass, nur wer ein paar Jährchen Universität hinter sich gebracht hat, gleich gut verdienen sollte? Wer rechtfertigt diese Vorschusslorbeeren? Die Angst, ausgebeutet zu werden, oder für lau arbeiten zu müssen, wird vielen anscheinend so effektiv vermittelt, dass nicht einmal die Aussicht, zum ersten Mal in die Arbeitswelt eintauchen zu können, sie vertreiben könnte. Hat überhaupt noch jemand Lust zu arbeiten, ohne sich gleich über das Finanzielle Gedanken zu machen? Werden solche Menschen später zu so jemandem wie Funke, der von seiner Ex-Bank weiterhin Gehalt beziehen will, obwohl er als Führungskraft offensichtlich versagt hat?

Angehende Akademiker, gerade in den naturwissenschaftlichen Bereichen, könnten froh sein, dass sie später ohnehin tendenziell besser bezahlt werden. Später ist allerdings nicht gleich nach dem Studium. Hier dürften sie froh sein, dass sie als Praktikant überhaupt etwas kriegen. In jede Ausbildung sollte immer auch etwas Schweiss investiert werden.

Mar 8, 2009

Einsichtsbekundungen

Gestern dann doch noch eine berlinernde Seite im Jungbusch entdeckt. Auf den Parties in Altbau-WGs dieses Viertels treibt sich eine Clique von Kreativen herum, die aus Mangel an begehbaren Kneipen eben die heimischen Wände als Partykeller nutzt. Im fünften Stock, wohlgemerkt. Die Wände der hohen Räume schmückt ebenjene Mischung aus Eigenkreation und Kulturimplantat, die erahnen lässt, dass Kunstmuster interpretierbar und wir ein Teil von ihnen sind. Die Musik pendelte zwischen Dubbigem und vier-Viertel, in der Toilette, die total altmodisch eingerichtet war, zuckte ein Stroboskop wie ein Zitat von der elektrischen Seite der Welt.

Mar 3, 2009

Bedenklichkeitsbekundungen

Jemand meinte: «Wenn man sich mal die Geschichte vor Augen führt: Im 19. Jhr. dachte man auch, dass man ab 100 km/h im Zug tot umfällt. Das ist eine Furcht vor der Technologie. Walkman sollte auch jeden isolieren.»

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Mit Argumenten wie diesen wird Augenwischerei betrieben. Es ist ja schliesslich nicht so, dass wir zu Beginn der Walkman-Entwicklung dieselbe technologische Erkenntnisstufe innehatten wie zu Zeiten der langsamen Eisenbahnen. Abgesehen davon, dass bereits Ende des 19. Jahrhunderts Hochgeschwindigkeitstests durchgeführt wurden, ziemlich unbedenklich fuhr man damals schon knapp 200 km/h. Insofern waren die Bedenken vor der isolationierenden Wirkung des Walkmans keine blinde Furcht mehr, sondern eine teil-begründete sozialwissenschaftliche Hypothese. Heute läuft jeder mit zugestöpselten Ohren rum, und oft hat man den Eindruck, dass die Menschen nur noch widerwillig ihren Lebens-Soundtrack ausschalten und sich ihren Gesprächspartnern widmen. Wie fühlt sich die komplett auf Musik reduzierte Erfahrung an? Wie ergeht es jenen, die das Gefühl haben, dass ihr Leben ohne iPod aus dem Takt gerät, dass der richtige Beat fehlt, dass die normalen Umweltgeräusche einfach nicht mehr taugen? Wir haben nachgeschaut. Was wir zu sehen bekamen, war schon etwas mehr, als was wir befürchtet hatten. Es muss ganz den Anschein haben, dass gewisse Leute durch den Einfluss der perfekt choreographierten Filme, Werbungen und sonstigen Berichte ihr eigenes Leben in seiner Kantigkeit, sowohl die Akustik betreffend, als auch die vermeintliche Ungelenkheit der Bewegungen, gar nicht mehr ertragen können. Wie sonst erklärt man die ganzen sich zu Klängen von Mainstreamharmonien roboterartig bewegenden Armleuchter in Fitnessstudios und auf der Strasse? Sie geben sich lieber den völlig belanglosen und in jeder Situation "passenden" Klängen irgendeines musikalischen Dosenfutters hin, als die bisweilen grausamen Lautsprecher-Ausdünstungen zu ertragen, die die Welt produziert, die die Kopfhörerjünger überhaupt erst möglich machen. Was ist das für eine Welt, in der die Maschinen den Menschen ihre Verhaltensweise vorgeben?

Mar 2, 2009

the happening world

Es war das erste Wochenende des Frühlings, und die Sonne schien. Im Zug sassen wir uns gegenüber. Es war eine kurze Fahrt. Und dann der unwirtliche Ortseingang. Und dann der braune Fluss. Heidelberg war wirklich nicht die Perle der Rhein-Neckar-Region, wie wir uns die Stadt gerne vorstellten. Aber hoch über der Stadt, auf dem Philosophenweg, in der Sonne und umgeben von Touristen, gaben wir ihr einen Teil der Schönheit, die wir mitgebracht hatten. Auf dem Rückweg durch die Innenstadt nahm ich ihre Hand, und so, auf diese Weise, war es ein wenig wie früher.