Schläfrige Stunden in der Bibliothek neben dem Springbrunnen, ein Irren durch die Essensausgaben der Mensa, Stunden in Cafés angefüllt mit Kaffee bis ganz obenhin, ein schwüles Wetter, erste Tropfen....
In der S-Bahn lese ich einen Artikel über eine Therapeutin in Berlin, die die Hälfte ihrer Patienten online betreut. Fast 100 % ihrer Kunden sind aber aufgrund von Problemen da, die online überhaupt erst möglich sind. Ein Student hängt an seiner Ex-Freundin fest, die ihm per Chat das Ende der Beziehung erklärt hat. Auf StudiVZ und anderswo verfolgt er sie noch und verbringt ganze Nächte in Foren, wo über Trennungsschmerzen geredet wird. Eine junge Frau wird mit ihren Partnern, die sie über eine Online-Vermittlungsagentur bekommt, nicht glücklich. Sie sucht jede Woche einen Neuen. Ein Mädchen hat bei Facebook über den Beziehungsstatus ihres (Ex-)Freundes erfahren, dass er nichts mehr von ihr will (auf "Single" geändert). Eine Woche später stand wieder "vergeben" dort. Das Mädchen will sich jetzt umbringen.
Mir fällt ein schönes Zitat ein, das aus einer Welt zu kommen scheint, in der es solche Probleme noch nicht gab, oder in der sie wenigstens nichts zur Sprache kamen. Es geht um einen Mann, der sich in eine wunderschöne Frau verliebt hat. Sie zieht nach Berlin, er träumt von ihr, möchte sie besuchen. Und denkt an all die anderen Männer in Berlin, die ihr wohl auf den Fersen sind:
«Wahrscheinlich ist ganz Berlin-Mitte hinter ihr her, auf Klapprädern, mit Pilotenbrillen.»
Ich schliesse die Augen, schreibe in Gedanken schon an der nächsten Buchrezension, und versuche, mir die ganzen krankmachenden Eigenschaften des Internets nicht vorzustellen. Um mich herum sitzen die anderen S-Bahn-Gäste in der stickigen Luft, wir rauschen am Westhafen vorbei. Ich schliesse die Augen ganz fest und wünsche mir, die Prenzlauer Allee herunterzutorkeln, in eine handfeste, analoge Wohnung zu kommen, ohne digitale Probleme einschlafen zu können.
May 12, 2010
May 6, 2010
the happening world
Was tut man, wenn Regen niederfällt wie Bindfäden, die Arbeit an der kommenden Ausgabe des tollen Campus-Magazins vor sich hin dümpelt und zu allem Überfluss auch noch die Schwalbe mit unbekanntem Problem in der Werkstatt steht? Richtig, man geht los und beschafft sich Lektüre beim Buchhändler um die Ecke. Diesmal Platon (für die Ideengeschichte-Vorlesung am Politikwissenschafts-Institut) und Richters "Bettermann", ein zynischer Abklatsch der Verhältnisse zwischen Bildung, Politik und Wirtschaft in Deutschland, die auch ich im Artikel "Die Beziehungskiste" behandle, welcher Aufmacher sein wird in der vierten Ausgabe von FURIOS. Er handelt von personifizierten Institutionen, besagte Bildung, Wirtschaft und Politik, dazu gesellen sich Verwaltung, Geschichte und der Zeitgeist, ein struppiger Geselle, der mit all den althergebrachten Begriffen nichts anzufangen weiss. "Moderne Hochschule", die Tochter von Wirtschaft und Bildung schliesslich, fühlt sich in dem Kreuzfeuer aus wechselnder Einflussnahme und Ausbeutung verloren. Und davon handelt die Geschichte.
May 1, 2010
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