Ich schwebte aus der letzten schriftlichen Prüfung raus, gab meine Bücher zurück und fuhr Sushi essen. Der Tag war gelaufen, wie Tage im Traum ablaufen: Wirr, wichtig, wurmlochartig.
Dann ging im zum Frisör. Stapfte durch den Matsch auf den Gehwegen der Kollwitzstrasse. Wartete, bis meine Friseuse frei wurde und hatte den Eindruck, dass sich der halbe Laden über mich lustig machte, weil ich Frauenmagazine las, aber etwas Anständiges für Männer hatten die eben auch nicht zu bieten. Als Nora dann kam und wir beratschlagten, was man noch tun könne mit meiner Frisur, stand mein Entschluss fest: Ich musste eine Friseuse kennenlernen! Sie schnitt, zupfte und rasierte eine geschlagene Stunde an mir rum, fand hier noch etwas und dort und machte akrobatische Übungen vor, seitlich und hinter mir, und wenn ich meine Brille aufgehabt hätte, dann hätte ich mich vermutlich an ihrem Friseusenkörper nicht sattsehen können. So aber liess ich alles über mich ergehen und war nachher richtig zufrieden mit dem Schnitt. Ich sagte ihr das, und fügte an, dass sie sich das merken solle, falls ich mal wiederkäme. Erst reagierte sie nicht darauf, sie war etwas hibbelig, touchierte mich manchmal mit der Schere und schniefte ausserdem ständig, so dass ich dachte, «die hat sich vorher noch etwas reingezogen». Dann fragte sie mich aber doch nach meiner Nummer, für den Notfall, wie sie meinte, falls ich bei einem zukünftigen Termin mal nicht auftauchen würde. Nee, ist schon klar.
Feb 19, 2010
Feb 18, 2010
the happening world
Meine Mitbewohnerin sagt: «Ist denn die Zahnreinigung beim Arzt unangenehm?» Ich erwidere: «Da muss man eben durch, es ist aushaltbar.»
Ich mag Ärzte einfach. Als ich, voller schlechter Vorahnungen, zu besagter Zahnreinigung gegangen bin, wurde ich von einer total netten Frau überrascht, die hier aufgewachsen war und sich brennend dafür interessierte, wie es denn die Kollegen in der Schweiz handhabten, das mit der Prophylaxe. Sie konnte mir genau erklären, welchen Vorteil ich von einem regelmässigen Zahnarztbesuch habe, was meine Kasse bietet und überhaupt ein paar Geschichten aus dem Zahnarztwesen. Ausserdem war ihre Praxis in einer wunderbar schönen Altbauwohnung eingerichtet, direkt um die Ecke. Zum Arzt muss man ja auch nie weit laufen hier, und meistens sind die ganz nett. Die Ärztin heute stellte sich mit einem Redeschwall vor, aus dem ich nach einigen Minuten herauslesen konnte, dass sie nicht durchführen würde, weswegen ich hergekommen war, weil die Kollegin, die mich überwiesen hat, falsch indiziert hatte. Sie stand vor mir, textete mich auf eine besonders fürsorgliche Art zu, so dass ich mich richtig gut aufgehoben fühlte. Egal, was denn nun komme, es hat bestimmt seine Richtigkeit, liefert positive Ergebnisse, die Praxisgebühr für dieses Quartal hatte ich schon im Januar bezahlt, ich konnte diesen Arztbesuch also uneingeschränkt geniessen. Wenig später, als sie mit dem Ultraschallstift in einer dicken Gelspur auf meiner Brust herumfuhr, unterbrach sie das Notwendige, um zu einer weiteren ausserplanmässigen Erklärung anzusetzen. «Sehen sie, apikal kann ich Ihr Herz gar nicht so gut erkennen, aber hier, hmm, hier ist es viel besser, hmm», murmelte sie, und stellte dann wie erwartet eine Sorglosigkeitsbescheinigung aus.
Ganz so einfach wie im ärztlichen Editorial der vorletzten Titanic war mein Erlebnis nicht: «Willkommen in meinem Editorial! Sie sehen oben einen stabilen grünen Balken, darunter mein Gesicht, daneben die Anrede, und das, was sich in der Leselupe spiegelt, die über die Buchstaben gehalten wird, sind Sie. Schön viele Falten haben Sie gekriegt! Und, wie geht's? So innendrin? Herz pocht noch? Lunge saugt? Milz pumpt? Wunderbar, das macht dann 100 Euro!»
Es hat aber auch nicht 100 Euro gekostet.
Ich mag Ärzte einfach. Als ich, voller schlechter Vorahnungen, zu besagter Zahnreinigung gegangen bin, wurde ich von einer total netten Frau überrascht, die hier aufgewachsen war und sich brennend dafür interessierte, wie es denn die Kollegen in der Schweiz handhabten, das mit der Prophylaxe. Sie konnte mir genau erklären, welchen Vorteil ich von einem regelmässigen Zahnarztbesuch habe, was meine Kasse bietet und überhaupt ein paar Geschichten aus dem Zahnarztwesen. Ausserdem war ihre Praxis in einer wunderbar schönen Altbauwohnung eingerichtet, direkt um die Ecke. Zum Arzt muss man ja auch nie weit laufen hier, und meistens sind die ganz nett. Die Ärztin heute stellte sich mit einem Redeschwall vor, aus dem ich nach einigen Minuten herauslesen konnte, dass sie nicht durchführen würde, weswegen ich hergekommen war, weil die Kollegin, die mich überwiesen hat, falsch indiziert hatte. Sie stand vor mir, textete mich auf eine besonders fürsorgliche Art zu, so dass ich mich richtig gut aufgehoben fühlte. Egal, was denn nun komme, es hat bestimmt seine Richtigkeit, liefert positive Ergebnisse, die Praxisgebühr für dieses Quartal hatte ich schon im Januar bezahlt, ich konnte diesen Arztbesuch also uneingeschränkt geniessen. Wenig später, als sie mit dem Ultraschallstift in einer dicken Gelspur auf meiner Brust herumfuhr, unterbrach sie das Notwendige, um zu einer weiteren ausserplanmässigen Erklärung anzusetzen. «Sehen sie, apikal kann ich Ihr Herz gar nicht so gut erkennen, aber hier, hmm, hier ist es viel besser, hmm», murmelte sie, und stellte dann wie erwartet eine Sorglosigkeitsbescheinigung aus.
Ganz so einfach wie im ärztlichen Editorial der vorletzten Titanic war mein Erlebnis nicht: «Willkommen in meinem Editorial! Sie sehen oben einen stabilen grünen Balken, darunter mein Gesicht, daneben die Anrede, und das, was sich in der Leselupe spiegelt, die über die Buchstaben gehalten wird, sind Sie. Schön viele Falten haben Sie gekriegt! Und, wie geht's? So innendrin? Herz pocht noch? Lunge saugt? Milz pumpt? Wunderbar, das macht dann 100 Euro!»
Es hat aber auch nicht 100 Euro gekostet.
Feb 17, 2010
the happening world
Was macht eigentlich jemand, der vor lauter Beschäftigung mit Quantenmechanik und Festkörperphysik des abends fantasiert, sein Freundeskreis bestehe letztlich nur noch aus den Granden ehemaliger deutscher handfester Forschung: Planck, Einstein, Volmer, Hückel. Richtig, er geht Bücher kaufen. Unter den zart-sakralen Klängen des polnischen DJ-Bruders Jacaszek und der Sonne, die für einmal Berlin einheizt und die Eis-Schmelzzeit einläutet, gehe ich los, um Lektüre zu besorgen: Der grosse Kolumnist Hans Zippert (jetzt in der «Welt», aber was solls) hat voriges Jahr ein Buch herausgebracht, in dem handverlesen die besten seiner Stücke aneinandergereiht sind. Obwohl ich soetwas immer sehr gewollt finde (die Hauruck-Humor-Technik hat etwas unbestimmt Martenstein-Süddeutsches), kann ich nicht umhin, mich nach einem Lacher in den letzten Lerntagen zu sehnen. Zum Beispiel diesem hier:
«Seit Jahren wird in Deutschland beklagt, Ausländer würden sich oft abkapseln, sie lebten isoliert in eigenen Stadtteilen. Doch es ist sogar noch viel schlimmer: Ausländer leben sogar völlig von Deutschland isoliert in eigenen Staaten.»
«Seit Jahren wird in Deutschland beklagt, Ausländer würden sich oft abkapseln, sie lebten isoliert in eigenen Stadtteilen. Doch es ist sogar noch viel schlimmer: Ausländer leben sogar völlig von Deutschland isoliert in eigenen Staaten.»
Feb 5, 2010
the happening world
Inmitten des Trubels des Studiums, der Prüfungen, der Zeitungsarbeit, der Seminarvorbereitung und der generellen Schlammschlacht mit dem Winter hatte ich meinen Zorn wiedergefunden. Der Zorn war am Telefon gekommen, als ich einer Beamtin erklären sollte, weswegen genau ich einen Antrag auf Förderung eingereicht hatte, der so unvollständig und ungerichtet war, dass es ihr in den Augen weh getan haben muss. Ich würde gern mal in diese sogenannte "Zentrale" gehen, um mir die Damen am Telefon genauer anzusehen. Die Frau, die sich um Veranstaltungen und Referenten kümmert, hatte eine ähnliche mutterhafte Stimme und versuchte mit ihrer Aufzählungsredetaktik einschüchternd zu wirken. Die Förderungs-Frau unterschied sich davon wenig und doppelte nach ihrer vernichtenden Analyse noch nach: Sie müsse unbedingt alle Telefonnummern haben, unter denen sie mich erreichen könne. Das zog mir echt die Schuhe aus, die nach dem halbstündigen Gespräch ohnehin nurmehr lose geschnürt waren. Keine Stunde vorher hatte sie mich in der S-Bahn auf dem Handy erreicht, und nun wirft sie mir indirekt vor, dass ich ihr wichtige Kontaktdaten vorenthalte?? Fördert die Landes"zentrale" für Politische Bildung etwa nur Bürger mit Zweithandy? Das Einvernehmen blieb eisig, ihr Lachen, als sie mir "Viel Glück" für die Überarbeitung des Antrags wünschte, klang aber jovial. Vielleicht bin ich tatsächlich noch blind für den Fakt, dass Beamtenfuzzis, selbst wenn sie in der politischen Bildungsförderung arbeiten, hauptberuflich in erster Linie überbürokratische Korrektheit betreiben. Damit lassen sich geschätzte 37 Wochenstunden schliesslich auch füllen. Meinen Zorn auf jeden Fall hatte ich recht unbürokratisch erhalten, und genauso unbürokratisch würde die werte Telefonfrau einen zweiten Antrag bekommen, der auch für Leute mit Leseschwäche verständlich ist.
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