Meine Mitbewohnerin sagt: «Ist denn die Zahnreinigung beim Arzt unangenehm?» Ich erwidere: «Da muss man eben durch, es ist aushaltbar.»
Ich mag Ärzte einfach. Als ich, voller schlechter Vorahnungen, zu besagter Zahnreinigung gegangen bin, wurde ich von einer total netten Frau überrascht, die hier aufgewachsen war und sich brennend dafür interessierte, wie es denn die Kollegen in der Schweiz handhabten, das mit der Prophylaxe. Sie konnte mir genau erklären, welchen Vorteil ich von einem regelmässigen Zahnarztbesuch habe, was meine Kasse bietet und überhaupt ein paar Geschichten aus dem Zahnarztwesen. Ausserdem war ihre Praxis in einer wunderbar schönen Altbauwohnung eingerichtet, direkt um die Ecke. Zum Arzt muss man ja auch nie weit laufen hier, und meistens sind die ganz nett. Die Ärztin heute stellte sich mit einem Redeschwall vor, aus dem ich nach einigen Minuten herauslesen konnte, dass sie nicht durchführen würde, weswegen ich hergekommen war, weil die Kollegin, die mich überwiesen hat, falsch indiziert hatte. Sie stand vor mir, textete mich auf eine besonders fürsorgliche Art zu, so dass ich mich richtig gut aufgehoben fühlte. Egal, was denn nun komme, es hat bestimmt seine Richtigkeit, liefert positive Ergebnisse, die Praxisgebühr für dieses Quartal hatte ich schon im Januar bezahlt, ich konnte diesen Arztbesuch also uneingeschränkt geniessen. Wenig später, als sie mit dem Ultraschallstift in einer dicken Gelspur auf meiner Brust herumfuhr, unterbrach sie das Notwendige, um zu einer weiteren ausserplanmässigen Erklärung anzusetzen. «Sehen sie, apikal kann ich Ihr Herz gar nicht so gut erkennen, aber hier, hmm, hier ist es viel besser, hmm», murmelte sie, und stellte dann wie erwartet eine Sorglosigkeitsbescheinigung aus.
Ganz so einfach wie im ärztlichen Editorial der vorletzten Titanic war mein Erlebnis nicht: «Willkommen in meinem Editorial! Sie sehen oben einen stabilen grünen Balken, darunter mein Gesicht, daneben die Anrede, und das, was sich in der Leselupe spiegelt, die über die Buchstaben gehalten wird, sind Sie. Schön viele Falten haben Sie gekriegt! Und, wie geht's? So innendrin? Herz pocht noch? Lunge saugt? Milz pumpt? Wunderbar, das macht dann 100 Euro!»
Es hat aber auch nicht 100 Euro gekostet.
Feb 18, 2010
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Ihr Senf, bitte. Am besten verdaulich und nicht zu dick aufgetragen.