Oct 12, 2008

Wir nannten es Arbeit II

Als ich gestern nach dem Mittagessen in die Garderobenräume im Keller gegangen bin, um meine Zeitung zu holen, lag dort auf einer der Sitzbänke der Laborant von nebenan, bei seinem Kopf tickte ein Wecker. Es war ein bisschen gruselig, ihn dort so zu sehen, er ist auch etwas gruselig wenn er nicht schläft, aber in diesen gedrungenen Garderobenräumen, wo zwischen den Spinden nicht viel Platz ist, war es speziell gespenstisch ihn dort so liegen zu sehen, ein wenig wie bei Dracula, nur ohne Sarg. Meine Arbeitskollegen im Labor in der Abteilung für marktnahe Produktentwicklung sind die Zahnräder, durch die sich die BASF überhaupt erst bewegen kann. Die meisten von ihnen arbeiten hier schon seit mehr als zehn Jahren. Nach der dreijährigen Ausbildung zum Laborant im Betrieb werden sie oft direkt von der BASF übernommen. Ihre Arbeit umfasst die mehrstufige Synthese von Chemikalien und, wenn ihr Projekt erfolgversprechend ist, auch das Scaling-Up, das im abteilungseigenen «Technikum» durchgeführt wird, einer Pilotanlage, in der die Reaktionen auf grösserem Massstab getestet werden. So optimiert die BASF einerseits bereits bestehende Prozesse in ökonomischer und ökologischer Hinsicht und erweitert andererseits ihr Chemikalien-Portfolio. Das Chemikalien-Portfolio – jeden Nachmittag auf der Rückfahrt durch das Werksgelände schnüffele ich mich durch die halbe Produkt- und Zwischenprodukt-Palette der «Chemical Company». Seit der zweiten Praktikumswoche nenne ich eines der begehrten BASF-Werksräder mein Eigen, das ich direkt vom Chef bekommen habe. Auf dem Weg vom Laborgebäude zum Werkstor in Ludwigshafen fahre ich auf der Anilinfabrikstrasse, wo lange Kolonnen von Tankwaggons über das Schienennetz zu den Abfüllstationen der Produktionsbetriebe und wieder zurück zum Landeshafen geschoben werden. Die BASF ist ein Organismus – Nahrung kommt in Form von Rohöl mehrmals täglich per Frachter an den Pipelines des Landeshafens an, von wo es zu den Steamcrackern geleitet wird. Dort werden die Kohlenwasserstoffe in handliche, kleinere Monomere zerlegt, aus denen Plastik gemacht wird, Farben, Lacke, Pharmavorprodukte und anderes. Energie kommt von den werkseigenen kombinierten Energie- und Dampfanlagen, die Strom und Wasserdampf erzeugen. Organismus heisst bei der BASF «Verbund», die BASF unterhält sechs Verbund-Standorte weltweit, Ludwigshafen ist davon der grösste.

No comments:

Post a Comment

Ihr Senf, bitte. Am besten verdaulich und nicht zu dick aufgetragen.