Oct 23, 2008

Wir nannten es Arbeit IV

Oder: Hin und wieder zurück.
Tiefer Schlaf, von wirren Träumen durchzogen, ereilt mich hier, nach rund einem Monat Mannheim, jede Nacht. Der Wecker kommt zu früh, aber gerade rechtzeitig, um grössere Abstrusitäten zu verhindern. Mit einem Satz bin ich im Bad, prüfe den Sitz der Schlaf-Falten, esse etwas. Bei der ersten Zigarette blicke ich, auf der Dachterrasse unter dem tiefschwarzen Himmel stehend, in Richtung Pfalz, wo Scheinwerfer die am Fluss stehenden Verladestationen als Silhouetten abbilden. Im schwarzen Jogginganzug, die IKEA-Handtasche umgehängt, eile ich die Treppen herunter in den Innenhof, wo das Rad steht. Die Quadrate beginnen, sich mit Leben zu füllen. Ich kreuze den Luisenring, bin schon am Verbindungskanal, fahre gleich die Rampe der Kurt-Schumacher-Brücke hoch, überhole andere «Aniliner», die man leicht an den BASF-Jacken und –Helmen erkennt. Auch ich trage Helm, auf dem Werksgelände ist das Vorschrift, und ihn erst am Tor anzuziehen umständlich. Über dem Rhein lichtet sich langsam die Dunkelheit, das grelle Scheinwerferlicht der Hafenanlagen liegt jetzt scharf links, jeden Morgen ist die Dämmerung etwas weniger hell, es ist viertel nach Sieben. Weisse Möwen fliegen in Gruppen knapp über die schwarzen Wasser des Rheins, der tief unter mir dahinfliesst. Die Brücke dauert ewig, der Berufsverkehr auf der anderen Seite zieht vorbei. Am Ende der Brücke rolle ich die Rampe herunter, halte kurz vor Tor 7. Mein Ausweis öffnet die Schranke, ich schiebe das Rad durch, steige wieder auf.
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Auf der Rückfahrt ist es mild, nicht selten scheint hier die Sonne am Nachmittag, auch wenn der Morgen neblig und wenig vielversprechend aussieht. Der Berufsverkehr geht jetzt in die andere Richtung, wieder mir entgegen, viele Laster sind darunter. Im Jungbusch, dem «Szeneviertel», schlängele ich mich durch die mir entgegenkommenden Autos in Einbahnstrassen, komme an Spielplätzen vorbei, die komplett türkisch besetzt sind, und wo man bei den am Rande sitzenden Figuren nie weiss, ob es Eminem-Gangster sind oder junge, bildhübsche Türkinnen mit Kopftuch. Die letzte Zigarette wieder auf dem Dach, in der Sonne. Bald ist Zeitverschiebung.

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