Es kam mit den gelegentlichen Spritztouren bei Mitfahrgelegenheiten und natürlich durch die Arbeit im Labor, wo nebenan ständig SWR3 dröhnte, dass ich mich zum ersten Mal näher mit dem Phänomen Radio auseinandersetzen musste. Bisland hatte ich ja keines gehört, die Musik war zu sehr Mainstream, die Kommentatoren vielleicht oft witzig, die Berichte schnittig, aber insgesamt war es nicht das Hörvergnügen, das ich suchte. Nun aber habe ich Hörerfahrung gesammelt, und kann UKW besser einschätzen. Ich habe herausgefunden, dass im Auto der Rundfunk tatsächlich hilfreich und notwendig ist mit seinen Stauwarnungen und Verkehrsmeldungen. Nachts, im Dunkel des Thüringer Waldes, auf der Rückfahrt nach Mannheim, begriff ich die Radiostationen als die Sendemasten der Zivilisation, die in jedes Nirgendwo der Bundesrepublik funken, wo sich Autobahnen schlängeln und einsame Fahrer schweigsam durch die Zeit fahren, sich nach Unterhaltung sehnend. Während es die Kurzweiligkeit des Fahrens garantiert, dass man keinen Koller beim Zuhören bekommt durch die oft sehr beschränkte Musikauswahl (SWR3 ist da so etwas wie ein Paradebeispiel, dennoch wirbt der Sender mit «Der beste Musikmix aller Zeiten», und ausgerechnet SWR3 wurde von der Media-Analyse 2009 I als der meistgehörte Radiosender in Deutschland identifiziert), so ist die Rotation im Labor unerträglich. Ich erinnere mich noch daran, dass auf der Höhe von Frankfurt ein Scooter-ähnliches Gedudel lief, zu diesem Zeitpunkt stand meine schlechte Bewertung des Radios endgültig fest. Die Fahrerin meinte bloss, das sei ein Lied aus ihrer Jugend, also den 80ern. «Ein Glück», dachte ich, also wird das nicht so häufig gespielt. Ich weiss jetzt aber, dass es jeden Tag mindestens dreimal läuft. Ähnlich ist es mit der Werbung, deren Sprichworte und Slogans ich beim ersten Mal noch mit Befremden und vielleicht auch etwas humorvoll auffassen kann, nach hundertmal haben sie aber bereits ihren Weg ins Unterbewusste gefunden. Wäre ich nicht komplett immun dagegen, fände dann die subtile Beeinflussung meiner Bedürfniswelt statt; der Slogan würde in mir weiterpochen und mich dazu animieren, bei Praktiker einzukaufen, bei Carglass, oder bei all den anderen unsäglichen Firmen.
Vielleicht ist es so, dass sich der sesshafte Mensch danach sehnt, wieder Nomade und unterwegs zu sein in der Landschaft, und aus diesem Grund das Radio benutzt, um das Gefühl der Zivilisationslosigkeit vermittelt zu bekommen. Klingen erstmal die Stichworte «A3», «A7» und «Stau und stockender Verkehr» aus dem Lautsprecher, so wird sich zuverlässig jede triste Büroumgebung irgendwann auflösen und man hat nur noch das Steuer vor sich, das blinkende Laufband des Radios am rechten unteren Rand des Blickfeldes und die im Scheinwerferlicht unter dem Auto verschwindenden Blitze des Mittelstreifens.
Mar 18, 2009
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Ihr Senf, bitte. Am besten verdaulich und nicht zu dick aufgetragen.