Apr 4, 2009

DJ Koze ist Adolf Noise

Da war es wieder - das Gefühl, innerhalb einer fest organisierten und aufgeräumten Struktur einer Wildnis beizuwohnen, Kunst eben. Die Mannheimer mit ihrem Time Warp Festival geben sich ja alle Mühe, betont organisiert zu wirken, quasi Emotion auf Kommando, also Genuss auf Knopfdruck. So bekamen wir im Planetarium der Stadt, am Ende der Augustaanlage gelegen, erst einen wohlfeilen Sennheiser Funkkopfhörer in die Hand gedrückt und kurz darauf, bequem in den Kippsesseln des Kuppelsaales hängend, eine viertelstündige Meditationseinstimmung und -erklärung zum dann Folgenden. Wir bekamen gesagt, woher das Wort Konzert eigentlich kommt (lat.: Wettstreit/Zusammenschluss), was man dazu so braucht (Bühne, Publikum), und wieso wir hier genau eine Antithese dazu erleben sollten, so war das DJ-Pult inklusive analoger Instrumente (Trompete, Flöte) mitten unter den Zuhörern aufgebaut, die ja auch nur sehr zurückhaltend, nämlich über Funk, beschallt wurden. Koze daraufhin wusste die angespannte Erwartung gleich zu brechen, indem er erst seinen teuflischen Stimmverzerrer drin hatte, den er eigentlich später als Überraschung hatte bringen wollen, wie er sagte, und dann auch noch das erste Lied knallartig anstatt leise aufkommend über uns hereinbrechen liess. Indes, er witzelte schon da über die Technik (kein blinder Apfelverliebter, wie es scheint), und schrieb auch dem Setting seine ureigene Tücken zu («ist eben live hier, nicht so wie beim anderen Techno....beatmatching und so»). In jedem Fall liess er uns dann, zusammen mit Freund Mense von den Goldenen Zitronen, teilhaben an 70 Minuten feinster Unterhaltung, eingeführt durch Motivations-Sprechtapes zum Jura-Studium Richtung Staatsexamen mit Prädikat, aus dem heraus er Elemente schnitt, um sie repetitiv auf seine freischwebenden Soundflächen zu bauen. Es kam vieles von Adolf Noise höchstpersönlich, zum genau passenden Moment, so fuhr doch ausgerechnet zu «Five N» von seiner Kurzspielplatte «Wunden, S. Beine offen» der Sternenhimmelprojektor in der Mitte des Saales aus dem Fussboden, so dass wir von da an vom VJ an die Decke gesprenkelte Sternzeichen, sich UFO-artig bewegende Planeten und anderes geniessen konnten. Es kam auch der unvermeidliche «36-Stimmen-Mann», und weil das Konzert so intim und Koze so gut drauf war, erfuhren wir, dass es diesen Mann wirklich gab und dass er alle Stimmen selbst gesungen hatte, innert 4 Stunden und mit einer Flasche Whisky. Es gab auch wunderbare, unveröffentlichte Perlen von Noise'scher Musik, zum Beispiel «Angst als Motor», insgesamt eine tolle Collage aus rhytmischen Einspielungen, live zusammengebaut und mit den gelegentlichen Beiträgen aus dem Instrumentenpark von Mense.


Adolf Noise als Kopfhörergenuss, am 14. Mai im Prater, Berlin.

4 comments:

  1. sehr feiner bericht! freue mich schon auf dj koze a.k.a adolf noise a.k.a..., wenn er in freiburg/br. am 07. mai auftreten wird.

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  2. super. freu' mich schon auf deinen bericht. grüsse aus freiburg!

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  3. btw. @ plakat: in freiburg habe ich bis zum heutigen tag weder plakat noch flyer für diese veranstaltung gesehen. was ich auf meinem blog hochgeladen habe, ist lediglich das offizielle tour-plakat von sennheiser (http://www.sennheiser.com/sennheiser/globals.nsf/resources/header_silentsoundtour_final.jpg/$File/header_silentsoundtour_final.jpg). wie ich "mein" verschlafenes freiburg einschätze, wird die veranstaltung wohl kaum frequentiert werden.

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Ihr Senf, bitte. Am besten verdaulich und nicht zu dick aufgetragen.