Apr 8, 2009

Fast Frankfurt XVII

Der Zug kam und mit ihm kam ein deutsch-russischer Mitfahrer, der in meinem Dreierliegeabteil über mir lag und während der Fahrt durch die sonnengetränkte September-Waldsteppe des Landes aus seinem Buch wirtschaftliche Theorien und deren Verwirklichung vorlas. Es hatte etwas surreales, wie wir da liegend durch die Prärie pflügten, wir tranken Tee um Tee, teilten unser mitgebrachtes Essen, standen im Gang, rauchten und schauten hinaus in die kornfeldgesäumte Leere, die sich bis zum Horizont erstreckte. Der Mitfahrer wohnte ausgerechnet auch in Mannheim und studierte in Heidelberg, nach meinem Restaufenthalt in Berlin sollte ich ihn wieder und wieder treffen in den Kneipen und meinen Unterkünften, wir spielten Schach und tranken Export. Mit Marktwirtschaft und Philosophie endete das Land, die Ukraine, meine Reise, die Gedanken, die ich mir gemacht hatte, die Einsichten, alles fand sich in dem einen Nenner wieder, dass man in der Fremde dann eben doch wieder etwas aus der (noch neuen) Heimat trifft. Unsere gemeinsame Fahrt dauerte bis in die späten Morgenstunden, als wir in Berlin Lichtenberg langsam ausrollten auf den klapprigen Schmalspurradgestellen, und wo ich mich in meinem letzten sauberen Shirt in die S-Bahn setzte, um endlich, wenigstens für ein paar Tage, nach Hause zu gehen.

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Ihr Senf, bitte. Am besten verdaulich und nicht zu dick aufgetragen.