Jan 9, 2009

the happening world

Kurz vor Mitternacht stehen wir dann am Fuss der Kuppel des Berliner Doms, in luftiger Höhe, unter uns die Stadt, die von den Feuerwerkskörpern langsam in Rauchschwaden gehüllt wird. Wir sind die letzte Strecke gerannt, nachdem wir zwischen Silvestertouristen eingepfercht im Tram gefahren sind. Die vielen Stiegen, die von der Vorhalle des Doms hinauf auf die Brüstung führen, stecken uns noch in den Beinen. Der Sekt ist bereit. Es ist fast 2009. Die Bäume auf der Prachtstrasse Unter den Linden sind in glühende Weihnachtsdekoration gehüllt, aber wir sehen es kaum. Wir erkennen knapp noch das Brandenburger Tor, in unserem Rücken ragt der beleuchtete Fernsehturm wie ein grosser Baum in den Himmel, durch einen blauen Schleier hindurch, der von der strahlenden Glasfassade des Interconti erzeugt wird. Die Innenstadt ist jetzt ganz neblig, mit plötzlichen Lichtreflexen und Farben von den Raketen.
Später dann um die Ecke in einer grosszügig geschnittenen Wohnung Schuhe ausziehen, Platz nehmen und wieder Staropramen trinken, das mich stets an Kiev erinnert. An Silvester erst wird mir die richtige Undeutlichkeit der Zahlen bewusst: Ist es schon Neujahr? Muss ich mich jetzt umstellen? Krumme Jahreszahl? Ich komme mit dem Kopf dem Jahreswechsel nicht hinterher, diesem gemächlichen, schwerfälligen Umwälzen, klobige Jahreszahlen, die sich gegenseitig verdrängen. 2008 war dann wohl mal, schöne Symmetrie, die dieses Jahr für sich hatte. Am nächsten Nachmittag lese ich bei einem Kaffee einen Jahresrückblick, der aus der Vergangenheitsperspektive geschrieben ist: «Es beginnt das Internationale Jahr des Planeten Erde, der Sprachen, der Kartoffel, der Hygiene und des interkulturellen Dialogs. Eigentlich kann nichts schiefgehen.»
Wir haben es geglaubt. Es hat funktioniert. Wir haben einen Fuss in die Luft gesetzt – und sie trug.

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