Jan 25, 2009

tracking with close-ups

Beim Zeitunglesen stach mir die Überschrift einer kleinen Meldung ins Auge: «Jugendliche schiessen Fotos von Suizidopfer». Dank Fotohandys können Sinneseindrücke direkt über elektronische Medien weiter prozessiert werden. Die Kleinkameras schaffen Erinnerungen, bilden Momente ab, werden aber nicht von ihren Benutzern kontrolliert, sondern kontrollieren ihre Benutzer: Trägt man das Ding erstmal mit sich herum, ist der Blick ein anderer, werden die Augen und das Gehirn zu kleinen, viereckigen Ausschnitten der Wirklichkeit, und die Kamera sendet elektrische Impulse an den Finger auf dem Auslöser bei jedem auch nur annähernd denkwürdigen Ereignis innerhalb des rechteckigen Suchers. Die Dinger bringen aber auch Sachen zum Veschwinden:
«Das Fotohandy ist ein seltsamer Hybride, der, folgt man der Theorie der Killerapplikation, bald andere Dinge zum Verschwinden bringen wird - zum Beispiel das Fotoalbum und abgewetzte Familienfotos. Die größte Bedrohung stellt es allerdings für die klassische Postkarte dar.»

Im Gegensatz zum perfekten Motiv der Postkarte geben sich die User also mit dem verwischten, «real» erlebten Auschnitt ihres Lebens zufrieden, senden individualisierte Bilder aus der Jetzt-Zeit, um sich zu erinnern, löschen dabei aber ihre komplette restliche, zeitnahe Umgebung:
«Es gibt eine bizarre Verzögerung: Es vergeht eine Sekunde zwischen Abdrücken und Bild; das vorbeilaufende Kind etwa, das man aufnehmen wollte, ist dann schon davongerannt. So entsteht eine seltsame Galerie verpasster Momente, ein surreales Album von Abwesenheiten.» (FAZ)

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