Während meinen ersten Tage in Kiev hatte ich mir das kyrillische Alphabet eingeprägt und konnte seitdem zumindest die russischen oder ukrainischen Worte entziffern, ohne sie jedoch zu verstehen. Fahrkartenkauf aber beispielsweise war etwas, das ohne gesprochenes Russisch einfach nicht funktionierte, selbst wenn ich Destination, Uhrzeit und sogar die Zugnummer in Kyrillisch aufschrieb. Die Schalterfrauen waren mir überlegen, allein schon durch ihre Anzahl. Sie konnten mich unermüdlich hin und her schicken, es gab Schalter, die nur für gewisse Abreisezeiten zuständig waren, dann wiederum aber nicht mit Reservationen dienen konnten. Ich liess mir von Couchsurfern die Tickets und Reservationen besorgen, konfrontiert mit russischsprachigen Helfern kapitulierten die Schalterfrauen sofort und stellten bereitwillig alle möglichen Scheine und Fahrkarten aus, auch meine Reservation für die Rückfahrt nach Berlin, ein Heftchen dick wie ein Reisepass.
Ich kam an einem Donnerstagmorgen wieder in Kiev an. Die Rundreise war zu Ende. Die Stadt war wie verändert, der Sonnenschein im Süden war nun auch hier angelangt und das Bahnhofsgebäude in den ersten Sonnenstrahlen des Tages nicht wiederzuerkennen. Ich holte meine Kamera heraus. Doch die Sicherheitskräfte, die überall herumstanden und patrouillierten, wiesen mich zurecht, eine Erfahrung, die ich im dort, im Bahnhofsgebäude, nicht zum ersten Mal mache. Es muss den Anschein haben, als ob im ganzen Land ein Fotographier-Verbot herrscht, mit einigen wenigen Korridoren oder Sichtachsen, die für Bildaufnahmen geöffnet sind, wie zum Beispiel der Blick auf den Reaktor von Tschernobyl. Es hat den Anschein, als ob das halbe Land ein wichtiges Museum ist mit lichtempfindlichen Bildern und Gebäuden, als ob geheimes Wissen überall herumstünde, unabbildbar, nur für den Selbstgebrauch bestimmt.
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Ihr Senf, bitte. Am besten verdaulich und nicht zu dick aufgetragen.