Aug 13, 2009

Fast Sarajevo IV

Die Tage in Sarnate verstreichen, wie die Tage in Seminaren eben vorübergehen; sie zerfliessen zäh, die aufgenommene Masse an zivilgesellschaftlicher Erkenntnis tropft träge an den Dachstützen aus uraltem Holz vorbei, durch die Dielen unseres Dreierzimmers, in den Esssaal mit der wunderbaren Aussicht auf Wald, See und Saunahütte. Die versammelten Kollegiaten sind eine Gruppe geworden, von der man umgeben ist wie von Wasser, wenn man badet. Wir hören uns Beiträge im Radio an, beschäftigen uns mit unseren Themen und schauen wehmütig in die Landschaft, deren Anblick schon in einer kleinen Woche nur noch Erinnerung sein wird. Zwei Wochen sind wir hier. Ich denke öfters an Berlin zurück und an meine anschliessende Reise. Schlafgelegenheiten in den Städten des Balkans sind noch nicht gefunden, ausgerechnet an den ruhigeren Tagen fällt unsere Internetverbindung aus und meine Suche nach einer Unterkunft muss ich auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Die Tage ziehen vorüber, wie Seminartage eben vorüber ziehen – sie schleichen sich nachts, im Dunkeln, an unserem Hotel vorbei, durch die Wälder und über die Felder, bis zur grasbewachsenen Steilküste des Meeres, zu dem wir jeden Morgen laufen. Am Samstag befeuerten wir den Ofen in der russischen Banja, deren Wände aus massiven Baumstämmen bestehen und in der zwei Etagen mit enggerückten Liegen stehen. Die Luft in der Sauna war trocken, wir badeten zwischendurch in dem kleinen See vor dem Haus. Später, als es schon dunkelte, und wir nach zwei Saunagängen noch immer nicht genug hatten, banden wir junge Birkenastbüschel zusammen, gossen noch mehr mit Farnzweigen versetztes Wasser auf die glühenden Steine über dem Ofen und schlugen uns mit den in heissem Wasser eingelegten Ästen Brust, Rücken und Beine ab. Mehr und mehr roch die Banja nach Birke, wir stöhnten ob der Hitze und den wohltuenden Hieben, die unsere Haut belebten. Später, als der Vollmond über dem kleinen See stand und erste Nebelschwaden aus dem Wasser aufstiegen, tauchten wir ein letztes Mal in dieser Nacht in das kühle Nass, durchpflügten mit unseren Zügen den Nebel und wünschten uns nichts sehnlicher, als fern der Städte zu leben, auf einem Landgut in der waldigen Steppe des Nordens wie diesem.

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