Nov 12, 2008

Die dritte Dosis

A, B, C.
Wer es schafft, bis P zu buchstabieren, der kann dort aufhören, denn den Rest übernimmt PROSUMER, wir sagen unseren Dank. Er diktiert uns das ABC der Elektronik, lehrt uns zu laufen, sozusagen, auf eine tech-housige Weise, in dieser einstündigen Aufnahme vom letzten Jahr. Alles unter dieser Nummer (Popups zulassen). Die anderen drei Dosen, Assoziationen zu Tschernobyl:
A) Büscher, 2003: «Die Zone. Seine Laune hob sich, er begann Witze zu reissen und lachte mich aus, dass ich hierher wollte. In ein paar Jahren würde der ganze Horror in ein grosses esoterisches Spektakel und "Business" umkippen, und aus dem Westen, dem verrückten, ewig nach neuen Kicks suchenden Westen, würden massenhaft Leute anreisen, um sich dem Kraftfeld des Reaktors auszusetzen.
"Die Potenz! Denk nur an die Potenz, lauter alte Männer werden kommen und am Ufer des Dnjepr sitzen, weisst du, wie früher in den weissen Liegestühlen auf den weissen Terrassen der Lungenheilanstalten." Er liess das Steuer los, riss die Arme hoch und schrie: "Energie! Diese klasse Energie, spürst du sie? Spürst du - ihn? Alle wollen ihn sehen." Er kurbelte das Seitenfenster herunter und zeigte irgendwohin. "Reaktor! Reaktor! Guter Gott, ich habe den Reaktor gesehen!"»

B) Kracht, 2005: «Wer Tschernobyl betritt, betritt die Bibel. Die Fackel, welche als metallenes Symbol die Besucher der Arbeiterstadt vor den Toren des Reaktors begrüsst, ist der Schweif des grossen Sterns aus der Offenbarung des Johannes, der vom Himmel fiel. Der Unfall geschah, wie ein Unfall geschehen muss in der Moderne: als fehlgeschlagener Test für den Ernstfall. Man wollte wissen, was passiert, wenn die entscheidenden Kühlsicherungen ausfallen, und hatte vergessen, das zu testende Rettungssystem zu aktivieren. Der anzutretende Beweis führte zum grössten anzunehmenden Unfall, zur Katastrophe, Armageddon, Jehennum. Unter den wachsamen Augen der Prüfer versagte das von ihnen entwickelte System, weil es ausgerechnet zu der Überhitzung kam, die man vermeiden wollte. Das Höllenfeuer setzte immense Massen Radioaktivität frei, die von den stark wehenden Aprilwinden in drei verschiedene Richtungen getragen wurde. Zunächst nach Westen, in die Ukraine, dann nordostwärts weit bis nach Weissrussland hinein, und nach Russland. Nicht nach Süden, wo die Hauptstadt Kiew liegt. Die unsichtbaren Todeswolken wehten unerkannt, weil niemand wusste, was geschehen war. Der Reaktor 4 musste mit einem Stahlmantel, dem Sarkophagus, umbaut werden und ist heute als Mini-Modell im Demonstrationsbüro gleich neben dem echten Reaktor zu sehen, durch die verkohlten Reste im Innern kriechen winzige schockgefrorene Rettungsarbeiter aus Plastik.»

C) myself, 2008: «Dann sehen wir den stählernen Sarg, der das zerstörte Reaktorgebäude von Block 4 abschirmt. Darin, wie ein Embryo im Mutterleib, glühen 180 Tonnen radioaktiver Überreste der atomaren Katastrophe vor sich hin. Draussen spüren wir nichts. Ukrainischer Herbstregen wäscht die Luft, hält sie frei von strahlenden Schwebeteilchen, die wir einatmen könnten. Erst im Innern des Körpers würde der Staub von Tschernobyl echten Schaden anrichten – nach Innen aber gelangt die Katastrophe nicht, sie muss auf ewig abgeschlossen in ihrer Zone bleiben, das Ausmass, der Charakter, er kann nie verstanden, verinnerlicht werden.»

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