Oct 10, 2009

Fast Sarajevo XXIX

Es war spät, als ich in dem kleinen Dorf ankam und die Pension das einzige Haus, in dem noch Licht brannte. Kein Zimmer war mehr frei, aber die Wirtin bedeutete mir, dass ich im Schankraum nächtigen könnte. Sechs, sieben ältere Männer sassen um einen runden Tisch in der Mitte des Saales herum, vor ihnen eine Ansammlung von leeren Tocéno-Flaschen und Gläsern mit Rakija-Pfützen. Ich versuchte, die Dauer ihres Gelages an der Anzahl Fingerabdrücke auf den Gläsern abzuschätzen, der Tisch, die Gläser und die Menschen aber verschwammen mehr und mehr vor meinen Augen, im Schrankraum hing Tabakrauch in dicken Schwaden. Die Männer schauten mit verquollenen Augen zu mir herüber, als ich meine Schlafstatt in einer Ecke einrichtete. Einer von ihnen brachte von der Theke ein frisches Glas mit Rakija zu mir herüber und bot mir eine Drina-Zigarette an. Schläfern nahm ich beides entgegen. Der Dielenboden war eine harte Unterlage, aber ich erwartete den Schlaf sehnsüchtig.

Später in der Nacht wurde ich unsaft geweckt. Es war die Wirtin. Meine Reisebegleiter seien eingetroffen, verkündete sie unwirsch. Hinter ihr, im schwachen Schein der Wandlampen, standen Allan und Seth. Ausser uns war niemand mehr im Saal. Die beiden mussten mächtig Radau gemacht haben, um die Alte aus dem Bett zu kriegen.

Wir müssten mit der Markierung der Wanderwege in der Region fortfahren, teilten sie mir mit ernsten Gesichtern mit. Ob ich denn unsere Verabredung vergessen habe? Natürlich nicht, log ich, ich hätte nur verschlafen wegen der anstrengenden Tage zuvor, in Albanien. Mein Körper war so hart wie die Dielenbretter. Hastig packte ich alles zusammen und schulterte meinen Rucksack. Draussen vor der Tür verschluckte uns die eisige Schwärze der bosnischen Nacht.

Allan musste mittlerweile eine Koryphäe auf dem Gebiet der Wanderweg-Markierungstechnik sein, dachte ich, dass man ihn bereits in anderen Ländern anforderte, noch dazu mitten in der Nacht. Wie wir in dieser Dunkelheit den Weg finden, geschweige denn markieren sollten, war mir ohnehin ein Rätsel. Diese Albaner, dachte ich, völlig unrealistisch in ihrer Einschätzung und unüberlegt in der Durchführung. Mein Rucksack wog schwer auf meinem gebeugten Rücken, aber auch meine Kameraden hatten schwer zu schleppen, wie ich jäh erkannte. Sie hatten riesige Schlaufen von Seil umgebunden, Haken zum Klettern baumelten von ihren Rucksäcken, Allan trug darüber hinaus noch ein Zelt unter dem Arm.

-der bosnische Traum/Zablak.

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