Oct 7, 2009

the happening world

Der Regen kam dann doch noch. Es kann ja nicht angehen, dass ein voller Tag ganz ohne ihn vergeht. Die Stunden zuvor, im warmen Kinosaal, trugen aber dazu bei, dass ich ganz ohne Vorbehalte durch das Nass nach Hause fuhr.

Die Lesung am Montagabend war mein Eintritt zurück in die lasterhafte Welt Berlins, mit Berliner Bier, französischen Zigaretten, deutscher Kultur. Juli Zeh, die bei einem der Bosnien-Projekte des Zentrums für Politische Schönheit Mitunterzeichnerin gewesen war, las aus ihrem neusten Buch «Corpus Delicti». Das Ganze wurde vertont von Slut. Als wir aber dort sassen, in den vertrauten Sitzreihen des Babylons am Rosa-Luxemburg-Platz, präsentierte sich uns das Ganze nicht als wohlgeordnete Struktur von Literatur und Musik, sondern als ohrenbetäubende, ja die Sinne betäubende Mischung von Theater, Drama und dystopischer Erzählung. Die Visuals, welche sich anfangs noch brav an die ihnen zugewiesenen Leinwand-Flächen hielten, füllten alsbald die gesamte Bühne aus, wuchsen, formten sich zu Bildschauen der fiktiven Darsteller der Geschichte aus, um dann wieder zurückzusinken in komplexe Aberrationen, nur um wenig später im Verlauf gebündelt als wachsweisse Figur auf einem Leintuch zu erscheinen, das einer der Musiker vor sich aufspannte. Juli Zeh, als Charakter ihres eigenen Buches, redete mit dieser Figur aus Licht, die sich bewegte und den Kopf neigte, umrundete sie und liess sie so Wirklichkeit werden. Die Musik von Slut, die ich in nicht allzu grauer Vorzeit ja als zu simpel und zu hart (If I had a heart) wahrgenommen hatte, erschien hier vollkommen verwandelt. Sie war elektronisch, tiefer, aber auch intensiver geworden, eindringlich summten, quäkten und hämmerten die synthetischen Grundzüge dieses Konstrukts aus Schall (so auch der Titel des Albums von Slut: Die Schallnovelle) uns entgegen, auf denen sich dann Gitarren, Handorgeln, Keyboard, Schlagzeug und nicht zuletzt der wunderbare Gesang stapelten. Hören! Alle weiteren Termine auf Sluts myspace.

1 comment:

  1. ....das hast du aber schön beschrieben.
    Dank deiner bemühe ich nun sogar mal wieder ab und zu mein Fremdwörterlexikon (was ich einst sehr rege studierte und was nun im Regal verstaubt)...wenn ich auch danach nicht wirklich schlauer bin, fügen sich doch neue Wörter in meinen Wortschatz ein...Es, was letzte nacht noch regnete, hat nun den Sommer zurück gebracht...

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Ihr Senf, bitte. Am besten verdaulich und nicht zu dick aufgetragen.