Oct 9, 2009

Fast Sarajevo XXVIII

Zablak, Durmitor: 16. IX

In der kleinen Hütte, in der ich mich für fünf Nächte einquartiert hatte, gab es genug Platz, um von der Tür aus nach links oder rechts auf eines der beiden Betten zu fallen. Zwischen den Betten war etwas Stauraum für den Rucksack. Hinunter in den Ort war es ein halbstündiger Marsch, Zablak erinnerte mich an ein kleines Skidörfchen, dabei war es noch nicht einmal echter Herbst und das finstere Durmitormassiv ganz ohne Schnee. Um meine Hütte herum gab es nichts, was auf eine Zivilisation hingedeutet hätte, hier endlich war ich ganz alleine inmitten des gelb-grün-blau-grauen Hochlandes von Montenegro. Monte-negro – die schwarzen Berge. Sie zu sehen, dafür war ich hergekommen, mich von ihrem Anblick einlullen zu lassen, und von den bewaldeten Weiten, über denen die Wolken so tief hingen, dass sie gegen die steilen Berghänge klatschten und dort wie festgezurrt verharrten.

Der Sternenhimmel hier besass den überwältigenden Reichtum, den man leicht vergisst, wenn man sein Leben sonst in den überbelichteten Städten verbringt. Morgens fand ich mich einmal von einer Schafherde eingeschlossen, deren weisse und schwarze Teilnehmer sich zum Schlafen um meine Hütte drapiert hatten. Ich unternahm lange Wanderungen hinauf in die Berge, durch die waldgesäumten Ebenen und an den Rand der nahegelegenen Schlucht, die beinahe so tief ist wie der Grand Canyon. Mit meiner löchrigen Jeans, meiner orangenen Stofftasche, die vielfach als «Omabeutel» bezeichnet worden war (und bei Gästen in Cafés und Restaurants regelmässig verhaltenes Gelächter hervorrief, wenn ich mit ihr vorbeilief), dem H&M-Überwurf, der kaum als Regenjacke bezeichnet werden kann und der Einkaufstüte des Supermarkts, in der mein Proviant steckte, muss ich ein ziemlicher Anblick gewesen sein. Hier im Hochland kam der Regen, den ich am Meer schon erahnt hatte; mal nieselte es und mal schüttete es in Strömen, so dass ich abends oft in meine Hütte flüchtete und dort unter dem ohrenbetäubenden Lärm der Tropfen schlief und träumte.

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