Oct 16, 2009

Fast Sarajevo XXXI

Ich stand in Herceg Novi am Busbahnhof und überlegte, ob ich hier, im touristischen Moloch, nächtigen sollte, oder in Dubrovnik. Ich entschied mich für Dubrovnik.

Diese Stadt ist eine durchindustrialisierte Feriensiedlung, mit Glastüren-Entrées und Lobbies mit Wifi. Dabei ist die Anfahrt von Süden so schön: Erst schwebt man auf der Küstenstrasse über der alten Stadt, erhascht ein, zwei lange Blicke auf die Bucht und die unifarbenen Häuser. Dann taucht man hinab an der Altstadt vorbei durch den Berg und erblickt links die neue Stadt auf der Lapai-Halbinsel, mit dem vorgelagerten Hafen, in dem grosse Kreuzfahrtschiffe ankern. Kurz vor der extrem stylischen Hängebrücke biegt man recht ab, bekommt eine andere, ruhigere Bucht zu Gesicht, um dann schliesslich, auf Meereshöhe, eine weitere, unmögliche Kehrtwende durchzuführen, die einen nach einem weiteren Schlenker in den hässlichen Busbahnhof neben dem Hafen bringt. Das Hostel, in einer Seitenstrasse mittig auf der Halbinsel gelegen, war das teuerste, das ich je von innen gesehen habe. Der «welcome drink», extra angepriesen, war ein einfacher Pflaumenrakija, den es in jedem anständigen albanischen oder serbischen Haushalt anstandslos zur Begrüssung, zum Abschied oder einfach so gibt. Er half mir, den Preis pro Nacht zu verdauen. Auf der Terrasse lümmelte eine kleine Gruppe von Männern mit schwerem englischen Akzent vor ihren Laptops. Das war es also, wonach ich mich in der Einsamkeit der Bergwelt Montenegros gesehnt hatte: ein tolles Hostel mit netten Gästen! Aber so war es eben, das Backpackerleben: In jeder etwas zu besiedelten Ecke sehnt man sich nach dem Charme des Rustikalen.

Die Fussgängerzone, die ich alsbald erkundete, bot nur schicke Restaurants mit Hollywoodschaukeln. «Wann kommen hier die qualmigen Bruchbuden, in denen köstliches Grillfleisch und kühles Bier angeboten werden?» - sie kamen nicht. Stattdessen kam ein 1-Meter schmaler Streifen Kiesstrand, der mir im Hostel als Badestrand verkauft worden war. Das gesamte Ufer säumten Restaurants mit ihren Terrassen, von denen einige schon geschlossen waren - die Saison war vorüber - was den mageren Strand besonders trist erscheinen liess. Ich mochte Dubrovnik einfach nicht, aber woher kam meine schlechte Laune? Lag es am Wetterwechsel, den Preisen, oder einfach am Buslag?

Der Hostelbesitzer vergass nicht zu erwähnen, dass diese Stadt jahrhundertelang den Türken widerstanden hatte, während die Serben in Kossovo kollektiv gefallen waren. Dubrovnik mag eine beeindruckende Handelsmacht gewesen sein damals, auf einer Halbinsel mit nicht einmal einem Kilometer Länge. Um die Türken fernzuhalten, hatte Dubrovnik mit aufwendigen Gesandtschaften eine Menge Tribut gezahlt.

1 comment:

  1. Grosses Bravo für diesen Text! Treffende Beschreibungen, genau so habe auch ich Dubrovnik erlebt: Jetzt stellen Sie sich die Stadt mal im Hochsommer vor. JEDER Adria-Reisende muss Dubrovnik gesehen haben. Doch die Preise erinnern mehr an Cannes als an Adria.

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