Sep 17, 2009

Fast Sarajevo XIX

2.9.

Albanien praesentiert sich auf der Bustour aus karstiges Bergland, duerr, an den Grenzen uebersaeht mit kleinen, pilzfoermigen Bunkern, die Enver Hoxha waehrend seiner Amtszeit errichten liess, nachdem das kommunistische Albanien aus dem Warschauer Pakt ausgetreten war. Diese zementierten Iglus machen aus dem trockenen Land noch kein froehliches Schlumpfhausen, doch der Verschoenerungsstil (Betonblocks werden mit bunten Mustern angemalt) in den Staedten und insbesondere in Tirana traegt seine Fruechte und gibt dem Land einen mediterranen Touch par excellence. Hier wachsen endlich die Palmen, die ich suchte. Das blutrote Banner, das die selbstbewusste Bevoelkerung ueberall aufhaengt, scheint mit seiner Farbe und seinem Motiv des Januskoepfigen Adlers von der martialischen Vergangenheit zu sprechen. Gleichzeitig hat Albanien grosse Schritte in Richtung Moderne unternommen.

Tirana. Diese Stadt weckte als erste den Wunsch zu bleiben. Moeglicherweise lag es an dem exzellenten Hostel, das von einem jungen, albanisch-deutschen Ehepaar betrieben wurde, oder an der erlesenen Gaesteschar, die ausgehwillig und trinkfest war. In einer der Kneipen im Ausgehviertel "Blloku" traf ich Sinty, eine waschechte lettische DJane, die hier haengengeblieben ist, als sie "auf Tour" war. Seitdem arbeitet sie als Graphikdesignerin, neben dem Auflegen. "You know, Devid, modern albanian graphicdesign is inexistant!", saeuselt sie mit ihrem nordischen Akzent. Und sie hat recht. In der Nationalgalerie, die am grossen Boulevard liegt, der Tirana von Norden nach Sueden durchschneidet, kann man sehen, wie sich die vielen Jahre Kommunismus in der Kunst niedergeschlagen haben. Zwar sind die photorealistischen, in warmen Farben gehaltenen Bilder, die mit heroischen Darstellungen den Bau der Elektrizitaetsleitungen, die Schwerindustrie und besonders die Rolle der Frau als Arbeiterin zeigen, nett anzusehen. Die Einheitsmalerei draengte aber ganze Generationen von Kreativen in die kuenstlerische Versenkung. Wer das Leben damals in zweifelhafteren Farben malte, dessen Bilder wurden vom Rat der Schriftsteller und Kuenstler eigenhaendig verboten, ein Berufsverbot folgte meistens. Alles in der Galerie dokumentiert, im dritten Stock.
Durch gute Verbindungen hatte Sinty schon die Wahlkampfauftritte der Parteien gestaltet, an Auftraegen mangelte es nicht. Wir zahlten. Wieder klimperten Muenzen einer neuen Waehrung in meiner Tasche. "Blloku" war einst das Wohnviertel der Parteisekraetere und hohen Funktionaere gewesen. Nach dem Regimewechsel und Sturz von Ramiz Alia 1990 hatte es die Bevoelkerung in Beschlag genommen, jetzt fanden sich dort glitzernde Buerotuerme und die hoechste Kneipendichte auf dem Balkan.

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