Sep 4, 2009

Fast Sarajevo XIV

Pristina> 25.08.

Die Fahrt nach Prizren wuerde mich endlich in den bergigen Teil des Kosovos bringen, wo es schoen gruen ist abseits der muellgesaeumten Strassen. Prizren ist Bundeswehrterritorium, sie hat dort die Obhut. Es sei schoen sauber und das Leben gut organisiert, schwaermt Arthur, mit dem ich vor der Abfahrt in Pristinas noch eine grosse Tasse Macciato trinke. Ich habe Arthur in der Linie 7 kennengelernt, er brachte mich zum Terminal und organisierte ein Ticket. Arthur hat 11 Jahre in Minden zwischen Hannover und Bielefeld verbracht, spricht ein ruhiges Deutsch und ist ganz Kosovare, wenn er meint, dass die UN in dem jungen Staat schon vor der Abloesung von Serbien gemacht hat, was sie wollte. An den omnipraesenten Muell in der Stadt, an die Unentschlossenheit seiner Mitbuerger und an die vielen Diplomaten und Beamten, die in ihren Dienstautos ueber die Schnellstrassen preschen, hat er sich laengst wieder gewoehnt. Viele Busse in der Hauptstadt und anderswo im Balkan sind ohnehin deutsche Gebrauchtfahrzeuge. Und doch faellt es ihm schwer, sich wieder einzuklinken, es sei hart, akzeptiert zu werden als Rueckkehrer. Seine Verwandten und Freunde sehen in ihm jetzt einen Hochstapler, bloss weil er vor dem Krieg ins Ausland gegangen ist und hart dafuer gearbeitet hat, um eine gute Ausbildung zu erhalten. "Ich habe in Minden im Fussballclub gespielt und war bei den Pfadfindern, ich habe mich gut in Deutschland integriert. Vielleicht zu gut." Aus seinen Augen spricht das Unverstaendnis fuer seine Landsleute, deren vertracktes Leben und deren alltaegliche Probleme er nicht mehr nachvollziehen kann. Er fragt mich, ob es mir meine Verwandte uebel nehmen wuerden, dass ich in der Schweiz gewesen bin in meiner Jugend, und nicht jeden schweren Schritt von Deutschland nach der Wende miterlebt und mitgemacht habe, all diese traegen und wehmuetigen Entscheidungen gegen ein Verharren in der Opferrolle. Ich weiss nichts darauf zu erwidern, vielleicht weil ich nicht die Parallelen sehen moechte und mein Nachhausekommen im vorigen Jahr unter solch einem gaenzlich anderen Stern stand. Arthurs Geschichte aber empfinde ich symptomatisch fuer die Gegend, und fuer einen kurzen Moment zwischen zwei Schlucken Macciato habe ich eine einfache Erklaerung der Situation in Pristina vor meinen Augen: Die eine Haelfte der Bevoelkerung ist hin und her gerissen zwischen den Versprechungen der internationalen Organisationen einerseits und dem Bestehen auf bewaehrte Handlungsweisen andererseits, waehrend die andere Haelfte der Bewohner durch Auslandserfahrung und tiefergehendes Wissen voellig konsterniert ist ueber die Weltfremdheit dieser beiden Denkarten der anderen Gruppe.

Bezueglich der Roma im Kosovo faellt Arthur ein andeutungsweise progressives und doch genauso kurzsichtiges Urteil: Da die Zigeunerkinder nicht fuer die Fehler ihrer Eltern verantwortlich gemacht werden sollten, sei ihnen zu helfen. Ueber das wie herrscht nur leider keine Einigkeit.

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