Jun 24, 2009

1 Gedicht/Tag

Unser Schloss

Längs dem Strom, in blauen Hecken
Spielen, und im Teich, verstecken
Sonnenlichter mit den matten, rötlichen
Blutbuchenschatten.

In den stummen Säulengängen
Dunkle Abendfalter hängen
Und ein Atmen, hin und wieder
Ungebor'ner Königslieder.

Über breiten Marmorstiegen
Hundert ferne Jahre liegen.
Flüsternde Tapeten tragen
Hundert graue Zukunftssagen.

Über meine Seele schreiten
Kommende Vergangenheiten
Ritterspiele, Königsworte
Laute Feste, stumme Morde.

Bald, und unser Park wird trauern
Brütend über Moos und Mauern
Und ein Wanderer wird mit Grauen
In die schwarzen Fenster schauen.

Und Chronisten werden sagen
Wunder, die sich zugetragen
In den sagenhaften Jahren
Da wir noch am Leben waren.

Hermann Hesse

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