Jun 23, 2009

Wir nannten es Arbeit XX

Während auf der Arbeitsfläche hinter mir die Zentrifuge schnurrt, lese ich das Reiseblatt von letzter Woche und betreibe zwischen den Abschnitten etwas Kopfrechnen. Soeben ist der assay fertig geworden, der nun vermessen werden muss. Eine brauchbare Grössenanalyse der in der Lösung enthaltenen Partikel dauert 10 Sekunden, und 10 Messungen hintereinander sorgen dafür, dass etwaige Streuungen ausgemittelt werden. Mein heutiger assay ist stolze 50 Proben stark, danach oder währenddessen wird noch der Zentrifugen-Inhalt aufgearbeitet. Die Proben im Analysegerät werden von Hand gewechselt, das ist der Grund, warum ich zeitungslesend danebensitze. Es ist einfach nicht sinnvoll, alle 100 Sekunden aus meinem Labor nebenan herüberzustürzen. Noch 20 Proben; ich werde noch 33 Minuten hier sitzen und kleine Plastikröhrchen hin- und herstellen, denke ich zwischen dem Bericht über einen «Glücksurlaub» an der türkischen Ägäis und einer Spurensuche in Maigrets Paris. Es piept, ich wechsle die Proben und schaue aus dem Fenster. Das Berliner Panorama präsentiert sich dunstig, aber freundlich. Die Nachmittage hier sind wechselhafte Gesellen, ich werde mich noch an den zornigen Wind und die tiefe Sonne gewöhnen müssen. Es folgt eine Beschreibung des Seine-Ufers in Simenons Romanen, von Hafenarbeitern, Schlachtern und Damen, die auf den Bänken in den Parks auf Kundschaft warten. Das Intervalllesen ist eine klasse Beschäftigung, gerade, wenn sich zuhause aus Urlaubsgründen ungelesene Feuilletons und Reiseblätter stapeln. Entzückt blättere ich um.

No comments:

Post a Comment

Ihr Senf, bitte. Am besten verdaulich und nicht zu dick aufgetragen.