Jul 17, 2009
Wir gedenken II
Am vergangenen Samstag ist der Hauptakt unserer letzten Kunstaktion über die Bühne gegangen. In Deutschland passierte das ganz ohne grosses Medienspektakel. Die Pressearbeit, für die ich ja verantwortlich zeichnete, hat vielleicht etwas unermüdliches und unertragreiches an sich, so ganz im Allgemeinen gesehen – bei dieser unserer letzten Performance war das Medienecho jedoch so klein, dass „bescheiden“ gar kein Ausdruck ist. Was haben wir getan, und vor allem: Wieso ist es wert, darüber zu berichten? Das Zentrum für Politische Schönheit hat eine Gedenkveranstaltung zum Völkermord von Srebrenica organisiert, der von den Serben 1995 an den Bosniaken verübt wurde. Die UNO stellte damals das Dorf unter internationalen Schutz und stationierte dort Truppen, als es hart auf hart kam stellten die Generäle der anrückenden serbischen Armee jedoch wenig mehr als einige Funksprüche entgegen. Den verzweifelten Forderungen der UNO-Truppen nach Luftunterstützung wurde aufgrund von formalen, später taktischen oder politischen Gründen nicht Folge geleistet. So versank Srebrenica schliesslich unter dem andauernden Beschuss der Serben, ein Grossteil der dorthin geflüchteten Bosniaken wurde in einem organisierten Verfahren missbraucht und ermordet, die grösstenteils holländischen Truppen versanken in Lethargie und Scham, die UNO versank in Lethargie und Schande, und insgesamt versank das Geschehen, das Gedenken, die Anklagen und Rechtssprechungen im Fluss des Vergessens, den wir als Lethe kennen und auf dem das Zentrum für Politische Schönheit Bergungsarbeiten durchführte. Wir stellten Bomben-Attrappen auf, die an die unterlassene Hilfe erinnern sollten, und führten die Krisensitzung des militärischen Stabes der UNO als politisches Theater auf. Wann immer ich mit einer Redaktion verbunden wurde und für unser Projekt warb, gab mich die Kulturabteilung, wo ich ja eigentlich hinwollte, gern rasch in die Politik weiter, wo mir wiederum die Lokalnachrichten anempfohlen wurden. Für Srebrenica fühlt sich auch 14 Jahre nach den Vorfällen niemand so recht zuständig – erst recht nicht für Aktionskunst zu seinem Gedenken, bei dem nicht ohne Grund die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ und das Islamische Kulturzentrum der Bosniaken in Berlin mithalfen, denen wir viel Unterstützung zu verdanken haben. Am gestrigen lauen Sommerabend schliesslich zogen wir, auf dem Gehweg vor unserem Büro in der Dunckerstrasse, vor einem reich gedeckten Tisch mit viel Wein, erstmal Bilanz. Wir kamen durch einfache Überschlagsrechnung zum Fazit, dass die Zusammenarbeit allein mit den freundlichen Bosniaken menschlich ein voller Erfolg gewesen ist und uns zu einer Kooperation und einem Thema geführt hat, das wir jetzt, da es an Land gezogen ist, ausführlich weiter beackern werden.
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