Von nun an geht es definitiv nur noch weiter bei:
http://efdm.wordpress.com/
Jul 12, 2010
Jun 22, 2010
1 Gedicht/Tag
Dies sei mein Ruhm, den ich suche:
Zu finden auf meinem Weg eine Stelle,
die mich verschlingt, und doch an mir
und um mich nichts zu ändern
und nicht zu stocken meinen Schritt.
Schleiermacher
Zu finden auf meinem Weg eine Stelle,
die mich verschlingt, und doch an mir
und um mich nichts zu ändern
und nicht zu stocken meinen Schritt.
Schleiermacher
Jun 20, 2010
Jun 15, 2010
May 12, 2010
the happening world
Schläfrige Stunden in der Bibliothek neben dem Springbrunnen, ein Irren durch die Essensausgaben der Mensa, Stunden in Cafés angefüllt mit Kaffee bis ganz obenhin, ein schwüles Wetter, erste Tropfen....
In der S-Bahn lese ich einen Artikel über eine Therapeutin in Berlin, die die Hälfte ihrer Patienten online betreut. Fast 100 % ihrer Kunden sind aber aufgrund von Problemen da, die online überhaupt erst möglich sind. Ein Student hängt an seiner Ex-Freundin fest, die ihm per Chat das Ende der Beziehung erklärt hat. Auf StudiVZ und anderswo verfolgt er sie noch und verbringt ganze Nächte in Foren, wo über Trennungsschmerzen geredet wird. Eine junge Frau wird mit ihren Partnern, die sie über eine Online-Vermittlungsagentur bekommt, nicht glücklich. Sie sucht jede Woche einen Neuen. Ein Mädchen hat bei Facebook über den Beziehungsstatus ihres (Ex-)Freundes erfahren, dass er nichts mehr von ihr will (auf "Single" geändert). Eine Woche später stand wieder "vergeben" dort. Das Mädchen will sich jetzt umbringen.
Mir fällt ein schönes Zitat ein, das aus einer Welt zu kommen scheint, in der es solche Probleme noch nicht gab, oder in der sie wenigstens nichts zur Sprache kamen. Es geht um einen Mann, der sich in eine wunderschöne Frau verliebt hat. Sie zieht nach Berlin, er träumt von ihr, möchte sie besuchen. Und denkt an all die anderen Männer in Berlin, die ihr wohl auf den Fersen sind:
«Wahrscheinlich ist ganz Berlin-Mitte hinter ihr her, auf Klapprädern, mit Pilotenbrillen.»
Ich schliesse die Augen, schreibe in Gedanken schon an der nächsten Buchrezension, und versuche, mir die ganzen krankmachenden Eigenschaften des Internets nicht vorzustellen. Um mich herum sitzen die anderen S-Bahn-Gäste in der stickigen Luft, wir rauschen am Westhafen vorbei. Ich schliesse die Augen ganz fest und wünsche mir, die Prenzlauer Allee herunterzutorkeln, in eine handfeste, analoge Wohnung zu kommen, ohne digitale Probleme einschlafen zu können.
In der S-Bahn lese ich einen Artikel über eine Therapeutin in Berlin, die die Hälfte ihrer Patienten online betreut. Fast 100 % ihrer Kunden sind aber aufgrund von Problemen da, die online überhaupt erst möglich sind. Ein Student hängt an seiner Ex-Freundin fest, die ihm per Chat das Ende der Beziehung erklärt hat. Auf StudiVZ und anderswo verfolgt er sie noch und verbringt ganze Nächte in Foren, wo über Trennungsschmerzen geredet wird. Eine junge Frau wird mit ihren Partnern, die sie über eine Online-Vermittlungsagentur bekommt, nicht glücklich. Sie sucht jede Woche einen Neuen. Ein Mädchen hat bei Facebook über den Beziehungsstatus ihres (Ex-)Freundes erfahren, dass er nichts mehr von ihr will (auf "Single" geändert). Eine Woche später stand wieder "vergeben" dort. Das Mädchen will sich jetzt umbringen.
Mir fällt ein schönes Zitat ein, das aus einer Welt zu kommen scheint, in der es solche Probleme noch nicht gab, oder in der sie wenigstens nichts zur Sprache kamen. Es geht um einen Mann, der sich in eine wunderschöne Frau verliebt hat. Sie zieht nach Berlin, er träumt von ihr, möchte sie besuchen. Und denkt an all die anderen Männer in Berlin, die ihr wohl auf den Fersen sind:
«Wahrscheinlich ist ganz Berlin-Mitte hinter ihr her, auf Klapprädern, mit Pilotenbrillen.»
Ich schliesse die Augen, schreibe in Gedanken schon an der nächsten Buchrezension, und versuche, mir die ganzen krankmachenden Eigenschaften des Internets nicht vorzustellen. Um mich herum sitzen die anderen S-Bahn-Gäste in der stickigen Luft, wir rauschen am Westhafen vorbei. Ich schliesse die Augen ganz fest und wünsche mir, die Prenzlauer Allee herunterzutorkeln, in eine handfeste, analoge Wohnung zu kommen, ohne digitale Probleme einschlafen zu können.
May 6, 2010
the happening world
Was tut man, wenn Regen niederfällt wie Bindfäden, die Arbeit an der kommenden Ausgabe des tollen Campus-Magazins vor sich hin dümpelt und zu allem Überfluss auch noch die Schwalbe mit unbekanntem Problem in der Werkstatt steht? Richtig, man geht los und beschafft sich Lektüre beim Buchhändler um die Ecke. Diesmal Platon (für die Ideengeschichte-Vorlesung am Politikwissenschafts-Institut) und Richters "Bettermann", ein zynischer Abklatsch der Verhältnisse zwischen Bildung, Politik und Wirtschaft in Deutschland, die auch ich im Artikel "Die Beziehungskiste" behandle, welcher Aufmacher sein wird in der vierten Ausgabe von FURIOS. Er handelt von personifizierten Institutionen, besagte Bildung, Wirtschaft und Politik, dazu gesellen sich Verwaltung, Geschichte und der Zeitgeist, ein struppiger Geselle, der mit all den althergebrachten Begriffen nichts anzufangen weiss. "Moderne Hochschule", die Tochter von Wirtschaft und Bildung schliesslich, fühlt sich in dem Kreuzfeuer aus wechselnder Einflussnahme und Ausbeutung verloren. Und davon handelt die Geschichte.
May 1, 2010
Apr 25, 2010
Apr 20, 2010
1 Gedicht/Nacht
«Die Werbeagentur Scholz&Friends hat wenig Glück mit dem Timing einer Kampagne. Ein Vulkan, der Asche speit, ist der Mittelpunkt eines aktuellen Werbespots für einen Siemens-Staubsauer. Das Gerät saugt die Aschewolke sofort und mühelos wieder ein. Auch wenn diese Bilder bei so manchem Aschegeschädigten auf wenig Begeisterung stossen dürften, soll der Film weiterhin im Fernsehen zu sehen sein. Schon im Januar hatte Scholz&Friends Pech: Damals wurde ein Spot für das deutsche Handwerk gestoppt, weil darin reihenweise Gebäude zusammenstürzten - ausgerechnet, als in Haiti die Erde bebte.» /faz.
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«Viele junge Bosnier&Herzegowiner nahmen an den Balkankriegen teil; sie schwammen über die Drina oder überquerten die montenegrinische Grenze bei Nacht, um bei den Freiwilligencamps anzuheuern, die wie Pilze aus dem Boden schossen und der serbischen Armee als Vorposten dienten bei ihrer Eroberung von Mazedonien. Jene Bosnier aber, die Zuhause blieben, sollten als Attentäter für immer unbrauchbar bleiben.»
Rebecca West über die Zeit vor dem Attentat in Sarajevo, 1914.
Rebecca West über die Zeit vor dem Attentat in Sarajevo, 1914.
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Es ist lange her, seit vom Fahrrad mit Seltenheitswert berichtet wurde. Hier ist es nun endlich, frisch geputzt und bereit für den Frühling:
Weil die Frühlingsgefühle auch bei mir grenzenlos sind, hat das Fahrrad mit Seltenheitswert nun eine Schwester, oder eher eine Konkurrenz bekommen. Sie ist etwas jünger, und ich werde damit vermutlich etwas älter, weil ich mich nicht mehr so viel bewege.
Weil die Frühlingsgefühle auch bei mir grenzenlos sind, hat das Fahrrad mit Seltenheitswert nun eine Schwester, oder eher eine Konkurrenz bekommen. Sie ist etwas jünger, und ich werde damit vermutlich etwas älter, weil ich mich nicht mehr so viel bewege.
Apr 13, 2010
1 Gedicht/Tag
Entgleite nicht
Wer hätte damals das gedacht!?
Von mir!? — Wie war ich davon weit!
Dann stieg ich, stiegen wir zu zweit
Und sagten glücklich vor der Nacht;
„Kehr nie zurück, bedankte Ärmlichkeit!“
Es war ein wunderschönes Hausen
In guter, kleinerbauter Heimlichkeit. —
Ganz winzige, herzförmige Fenster gibt's. —
Im reichen Raum vergißt man leicht das Draußen. —
Entgleite nicht, du Glück der Einfachheit.
Joachim Ringelnatz /per Lyrikmail #2184
Wer hätte damals das gedacht!?
Von mir!? — Wie war ich davon weit!
Dann stieg ich, stiegen wir zu zweit
Und sagten glücklich vor der Nacht;
„Kehr nie zurück, bedankte Ärmlichkeit!“
Es war ein wunderschönes Hausen
In guter, kleinerbauter Heimlichkeit. —
Ganz winzige, herzförmige Fenster gibt's. —
Im reichen Raum vergißt man leicht das Draußen. —
Entgleite nicht, du Glück der Einfachheit.
Joachim Ringelnatz /per Lyrikmail #2184
the happening world
Eine Befindlichkeitsanalyse.
Nachts streifen wir, vom ohnmächtigen Gefühl der Langeweile und dem unbändigen Drang der Entdeckerlust gleichermassen getrieben, durch die Strassen des Bötzowviertels. Rund um den Helmholtzplatz und in der Kastanienallee waren die Kneipen uns einst: eine Heimat. Hier fanden wir stets Linderung von den Grossstadtsorgen, zusammen mit anderen Getriebenen konnten wir uns jeden Abend in wohlbekannte Sessel sinken lassen und erlebten doch immer etwas Neues. Seit einiger Zeit aber kommt uns diese ewige Wiederholung öde vor, wir fuhren Richtung Osten um zu finden: ein Abenteuer. Stellten uns in den Strassen und Bars dort verruchtere, originellere Leute vor, aber fanden: nichts. Es mag etwas gewagt sein, an einem Montagabend die Trinkfreudigkeit der Bewohner eines Viertels beurteilen zu wollen, aber dort war alles so geleckt und brav und still, dass das Adjektiv «bötzig» bei uns von nun an für ebenjene Attribute steht.
Tagsüber streife ich, vom unbändigen Durst nach Wissen und der Lust auf neue Kontakte gleichermassen getrieben, durch die Gänge der Universität. Rund um die Silberlaube und das Institut für Chemie waren mir die Hörsäle, Cafés und Bibliotheken einst: eine Heimat. Jetzt ging ich hier ziellos, noch ohne Lernauftrag, und hatte Mühe mir auszumalen, wie ich dieses Semester rein punktemässig auf die Reihe kriegen sollte. Es fehlte an spannenden, anspruchsvollen Vorlesungen. Gelegenheiten, um sich ganz ursprünglich in der Mensa zum Mittagessen und zum Gespräch zu treffen und danach auf dem Dach in der Sonne zu sitzen, gab es genug; die Beschäftigung mit Skripten und Übungen aber fehlte noch gänzlich.
Nachts streifen wir, vom ohnmächtigen Gefühl der Langeweile und dem unbändigen Drang der Entdeckerlust gleichermassen getrieben, durch die Strassen des Bötzowviertels. Rund um den Helmholtzplatz und in der Kastanienallee waren die Kneipen uns einst: eine Heimat. Hier fanden wir stets Linderung von den Grossstadtsorgen, zusammen mit anderen Getriebenen konnten wir uns jeden Abend in wohlbekannte Sessel sinken lassen und erlebten doch immer etwas Neues. Seit einiger Zeit aber kommt uns diese ewige Wiederholung öde vor, wir fuhren Richtung Osten um zu finden: ein Abenteuer. Stellten uns in den Strassen und Bars dort verruchtere, originellere Leute vor, aber fanden: nichts. Es mag etwas gewagt sein, an einem Montagabend die Trinkfreudigkeit der Bewohner eines Viertels beurteilen zu wollen, aber dort war alles so geleckt und brav und still, dass das Adjektiv «bötzig» bei uns von nun an für ebenjene Attribute steht.
Tagsüber streife ich, vom unbändigen Durst nach Wissen und der Lust auf neue Kontakte gleichermassen getrieben, durch die Gänge der Universität. Rund um die Silberlaube und das Institut für Chemie waren mir die Hörsäle, Cafés und Bibliotheken einst: eine Heimat. Jetzt ging ich hier ziellos, noch ohne Lernauftrag, und hatte Mühe mir auszumalen, wie ich dieses Semester rein punktemässig auf die Reihe kriegen sollte. Es fehlte an spannenden, anspruchsvollen Vorlesungen. Gelegenheiten, um sich ganz ursprünglich in der Mensa zum Mittagessen und zum Gespräch zu treffen und danach auf dem Dach in der Sonne zu sitzen, gab es genug; die Beschäftigung mit Skripten und Übungen aber fehlte noch gänzlich.
Apr 8, 2010
Do Chemists dream of electric sheep?
Endlich ist es mal amtlich, oder zumindest so amtlich, wie die Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien überhaupt noch sein können. Denn nicht erst seit dem Climategate-Skandälchen sind Forschungsergebnisse einem kritischen Kreuzfeuer aus allen Richtungen ausgesetzt. Halbwissenschaftliche Journale, ja eigentlich jeder Wikipedia-Nutzer fühlt sich ermächtigt, Ergebnisse anzuzweifeln und umzudeuten. Das ist eigentlich gar nicht so schlecht, denn Wissenschaft lebt bekanntlich vom Diskurs. Zweifelhaft ist daran eher die Verbreitung von Halb- und Wahrheiten: Wenn diese in die falschen Hände gelangen, wird darum flugs eine publikationsreife Meldung, und auch ehemals seriöse Agenturen wie die dpa können in den wissenschaftlichen Hochebenen der Forschung eben nicht richtig von halbrichtig unterscheiden (zum Vergleich: Der südkoreanische Klon-Gau des Forschers Hwang Woo Suk 2005 wurde noch in Eigenregie gebaut).
Aber zur Sache: die Publikation trägt den schönen Namen «Do green products make us better people?» und der geneigte Leser wird schon wissen, worauf es hinausläuft, ganz zu meinem Vergnügen natürlich. Es ist ähnlich zur landläufigen Beobachtung, dass Netz-affine und Social-Media-erprobte Menschen nicht unbedingt auch im wirklichen Leben sozial erfahren sind. Beim Thema Öko geht es aber weiter: Eine Studie der Universität in Toronto hat festgestellt, dass Käufer von Bio-Produkten nicht automatisch auch ein besseres Verhalten ihren Mitmenschen gegenüber zeigen. Der Hintergrund: Diese Leute "kaufen" ihr moralisches Gewissen und haben danach das Gefühl, bereits genug erledigt zu haben, so dass sie niemand aufgrund von Unfreundlichkeit etwa anklagen könnte. Ein schönes Beispiel für gutes Marketing und auch dafür, dass diese ganze fair-trade Sache am Kern der Sache (der wäre: eine empathischere Gesellschaft) vorbeigeht.
Aber zur Sache: die Publikation trägt den schönen Namen «Do green products make us better people?» und der geneigte Leser wird schon wissen, worauf es hinausläuft, ganz zu meinem Vergnügen natürlich. Es ist ähnlich zur landläufigen Beobachtung, dass Netz-affine und Social-Media-erprobte Menschen nicht unbedingt auch im wirklichen Leben sozial erfahren sind. Beim Thema Öko geht es aber weiter: Eine Studie der Universität in Toronto hat festgestellt, dass Käufer von Bio-Produkten nicht automatisch auch ein besseres Verhalten ihren Mitmenschen gegenüber zeigen. Der Hintergrund: Diese Leute "kaufen" ihr moralisches Gewissen und haben danach das Gefühl, bereits genug erledigt zu haben, so dass sie niemand aufgrund von Unfreundlichkeit etwa anklagen könnte. Ein schönes Beispiel für gutes Marketing und auch dafür, dass diese ganze fair-trade Sache am Kern der Sache (der wäre: eine empathischere Gesellschaft) vorbeigeht.
Apr 6, 2010
the happening world
Aus der Wildnis von Mecklemburg-Vorpommern kommend, beschloss ich, ins Kino zu gehen. Es gibt nichts, was einem dem arteriellen Kreislauf der Grossstadt und all seinen Übeln näherbringen könnte. Die Fahrt allein ist eine Zumutung, erst wartet man auf die Tram und dann nochmal auf die Ubahn, um sich schliesslich über die gargantuesken Distanzen des Potsdamer Platzes zu quälen. Der vom Lande verwöhnte Mensch, der keine Abfahrtszeiten, kein Umsteigen und erst recht keine Menschenmengen kennt und braucht (selbst wenn sie wie an diesem Ostermontag verhalten waren), ist wahrlich schon genervt, bevor er im Kinosessel sitzt. Bis dahin soll es aber noch dauern: Denn erst muss er an der Kinokasse dem unbarmherzigen Preissystem der Filmhausketten begegnen. Damals, mit Avatar, wurde ja der Grundstein gelegt: Satte 12 Euro bezahlte man für eine Karte und 3D-Brille. Studentenrabatt, Dienstagsermässigung oder Gutscheine verlieren ihre Gültigkeit. Dieser Film enthielt alle Zuschläge und Extrakosten, die sich die darbende Filmbranche überlegen konnte: Überlänge, 3D-Technik, Gebühr für Grossraum und Pause. Am Ostermontag, einem Feiertag, bezahle ich 8 Euro für die Studentenkarte. Ich nicke nur apathisch und will endlich zur Popcorntheke. Dort stehen sie schon, alle drei: Die Landmenschen, einfache Wesen aus dünner besiedelten Gegenden, mit ihren iPhones, Rätselheften und Handtäschchen. Dem Thekenrhythmus unserer Grossstadt sind sie nicht gewachsen. Ich versuche, mich schonmal an sie zu gewöhnen, denn bestimmt werden sie während der Vorstellung neben mir sitzen.
Einen Film im Kino anzusehen ist eine Zumutung an sich. Zumindest für werbungssensible Menschen. Was da alles so auf einen einprasselt während den ersten gefühlten 30 Minuten lässt sich an Eindimensionalität nicht überbieten. Schon früher waren Kinowerbungen überdrehte Bildgeschichten, nach deren Betrachtung man nicht immer sagen konnte, wofür eigentlich geworben wurde (die Einblendung des Marken- und Produktnamens löste dann das Rätsel). Heute ist es ähnlich, das Versprechen der Werbung (Glück, Partnerschaft, Sex) aber wurde akzentuiert herausgearbeitet und trifft mich im Kinosessel wie ein faulig riechendes, schleimiges Etwas. Die anderen Zuschauer signalisieren durch Lachen oder verständnislose Kommentare, dass sie äuch verwirrt sind. Die beworbenen Produkte und den Hype darum kann ich in meinem Umfeld aber direkt wiederfinden. Die drei Nervensägen von der Popkorntheke sitzen mittlerweile tatsächlich neben mir, nach dem ersten Werbeblock geht das Licht nochmal an, es wird Eis verkauft. Die folgenden Filmvorschauen wirken richtiggehend blass verglichen mit der Werbung zuvor.
So eine Tortur steht man nur durch, wenn sich der Film, der schlussendlich wirklich gezeigt wird, auch tatsächlich lohnt. Er lohnt sich, und lohnt sich insbesondere in der Originalfassung, da ansonsten die unterschiedlichen englischen Akzente gar nicht zur Geltung kämen. Ein toller Film, auch von der Ästhetik her wirklich sehenswert. Dass so - Verzeihung - altbackene Regisseure wie Polanski so eine moderne Bildwelt auferstehen lassen können, hat mich schon bei Wim Wenders' "Palermo Shooting" begeistert, auch wenn dessen Handlung lange nicht so schlüssig ist wie Polanskis Politikgeschichte. electronicdreams empfiehlt "The Ghost Writer" deswegen uneingeschränkt.
Einen Film im Kino anzusehen ist eine Zumutung an sich. Zumindest für werbungssensible Menschen. Was da alles so auf einen einprasselt während den ersten gefühlten 30 Minuten lässt sich an Eindimensionalität nicht überbieten. Schon früher waren Kinowerbungen überdrehte Bildgeschichten, nach deren Betrachtung man nicht immer sagen konnte, wofür eigentlich geworben wurde (die Einblendung des Marken- und Produktnamens löste dann das Rätsel). Heute ist es ähnlich, das Versprechen der Werbung (Glück, Partnerschaft, Sex) aber wurde akzentuiert herausgearbeitet und trifft mich im Kinosessel wie ein faulig riechendes, schleimiges Etwas. Die anderen Zuschauer signalisieren durch Lachen oder verständnislose Kommentare, dass sie äuch verwirrt sind. Die beworbenen Produkte und den Hype darum kann ich in meinem Umfeld aber direkt wiederfinden. Die drei Nervensägen von der Popkorntheke sitzen mittlerweile tatsächlich neben mir, nach dem ersten Werbeblock geht das Licht nochmal an, es wird Eis verkauft. Die folgenden Filmvorschauen wirken richtiggehend blass verglichen mit der Werbung zuvor.
So eine Tortur steht man nur durch, wenn sich der Film, der schlussendlich wirklich gezeigt wird, auch tatsächlich lohnt. Er lohnt sich, und lohnt sich insbesondere in der Originalfassung, da ansonsten die unterschiedlichen englischen Akzente gar nicht zur Geltung kämen. Ein toller Film, auch von der Ästhetik her wirklich sehenswert. Dass so - Verzeihung - altbackene Regisseure wie Polanski so eine moderne Bildwelt auferstehen lassen können, hat mich schon bei Wim Wenders' "Palermo Shooting" begeistert, auch wenn dessen Handlung lange nicht so schlüssig ist wie Polanskis Politikgeschichte. electronicdreams empfiehlt "The Ghost Writer" deswegen uneingeschränkt.
Mar 16, 2010
Wir nannten es Arbeit
Stell dir vor, es ist politische Bildung, und keiner geht hin. So oder ähnlich liesse sich der derzeitige Zustand unseres tollen Seminars "PieK" beschreiben. Das ist ungefähr so, als hätte man Geburtstag und sitzt alleine Zuhause. Man stellt sich die Frage, für wen man das eigentlich macht. Nach ungefähr 4 Bier während eines Planungsabends kommt es uns dann wieder in den Sinn: Wir machen das natürlich für uns selber! Natürlich würden wir das leckere Mittagsbuffet, die exzellenten Vorträge, den Museumsbesuch und die ganze künstlerische Arbeit gern mit jemandem teilen. Geteilte Freude ist ja angeblich die schönste Freude. Wir würden das aber auch alles alleine geniessen wollen.
Mar 9, 2010
tracking with close-ups
Der Winter war längst vorüber. Was dann kam, war Sonnenschein und die Illusion, man könnte im Tshirt hinausgehen. Wir probierten es und fanden uns nach einigen Tagen doch wieder abwechslungsweise fröstelnd und schwitzend in den abgedunkelten Räumen der Cafés wieder. Wenn die Fenster geschlossen waren, erzeugten die bullernden Öfen und die Gluthitze der Zigaretten im Raucherraum eine Luft, in der jegliches Eis in unserem Campari Soda sofort zu lauwarmen Wasser wurde. Waren die Fenster geöffnet, zog es uns kalt zwischen den Beinen durch. Wir waren das Leben im Inneren langsam satt und sehnten uns nach Spaziergängen im Treptower Park. Manchmal, wenn wir es gar nicht mehr aushielten, liefen wir die Duncker hinauf bis zur Brücke über die S-Bahn-Schienen, denn von dort aus konnte man wenigstens ein kleines Fenster Horizont erkennen.
Mar 7, 2010
1 Gedicht/Nacht
Kein Dänenprinz war so dramatisch, verrückt, grossartig wie er:
Inszenierung von Thomas Ostermaier mit Lars Eidinger. Am 19., 20. und 21.3. in der Schaubühne.
Inszenierung von Thomas Ostermaier mit Lars Eidinger. Am 19., 20. und 21.3. in der Schaubühne.
the happening world
Es war der sechste Samstag in Folge und das Gefühl, zwischen Arbeitswoche und Sonntag zu stehen, leierte mich langsam aber sicher aus. Ich stand zwischen Arbeitspflichten und dem Wunsch, mich gehen zu lassen und mich auf das Kommende vorzubereiten. Um mich herum passierten die verrücktesten Geschichten, Freunde und Mitbewohnerin gleichermassen muteten mir die neuesten wilden Entwicklungen in ihren Leben zu, verlangten Rat von mir und Verständnis, wo ich einfach nur Feierabend haben wollte und überdies mit dem Nachvollziehen der stories überhaupt nicht hinterherkam. Ich verspürte das tiefe Bedürfnis, diesen Planeten zu verlassen und auf einen anderen zu ziehen, weil alles zuviel war. Es war das Gefühl, dass die Moderne, die verrückte, falsch-gerichtete und kurzsichtige moderne Welt mich überrollte und ich nicht mehr Schritt halten mochte.
Eine Freundin holte mich in Charlottenburg ab und gemeinsam gingen wir ins Schwarze Café, wo wir die gefühlten nächsten 10 Stunden verbrachten. Dieser Ort ist immer gut, wenn man nicht zeitreisen will, sondern wie in einer Zeitkapsel eingesperrt verweilen will, die wechselnden Gäste, das Personal, sie alle warfen uns gutmütige Blicke und kokettierende Sätze zu, während wir unseren Kaffee tranken und Suppe löffelten. Wir waren die Ausgelaugten der Nacht, hatten kaum geschlafen und fühlten uns gebeutelt vom Leben und den Umständen. Wir betrachteten den Schnee, der in dicken Flocken fiel, bestätigten uns gegenseitig, dass wir mit dem Leben mithielten, zahlten dann und fuhren zum Alex. Die Menge in den S-Bahnen und Geschäften hatte weiter zugenommen, dabei war schon beinahe alles geschlossen, als ich endlich wieder die Prenzlauer Allee hinauffuhr und nach Hause ging.
Eine Freundin holte mich in Charlottenburg ab und gemeinsam gingen wir ins Schwarze Café, wo wir die gefühlten nächsten 10 Stunden verbrachten. Dieser Ort ist immer gut, wenn man nicht zeitreisen will, sondern wie in einer Zeitkapsel eingesperrt verweilen will, die wechselnden Gäste, das Personal, sie alle warfen uns gutmütige Blicke und kokettierende Sätze zu, während wir unseren Kaffee tranken und Suppe löffelten. Wir waren die Ausgelaugten der Nacht, hatten kaum geschlafen und fühlten uns gebeutelt vom Leben und den Umständen. Wir betrachteten den Schnee, der in dicken Flocken fiel, bestätigten uns gegenseitig, dass wir mit dem Leben mithielten, zahlten dann und fuhren zum Alex. Die Menge in den S-Bahnen und Geschäften hatte weiter zugenommen, dabei war schon beinahe alles geschlossen, als ich endlich wieder die Prenzlauer Allee hinauffuhr und nach Hause ging.
Mar 6, 2010
Do Chemists dream of electric sheep?
Herrlich in der FTD: «Experiment am lebenden Griechen»
Die Kanzlerin drängt Athen zu etwas, was sie im eigenen Land als kontraproduktiv ablehnt: Mitten in der Rezession radikal zu konsolidieren. Ein waghalsiger Versuch, der auch für Deutschland teuer werden kann.
Bei Ökonomen ist derzeit in Mode, wirtschaftliche Phänomene am lebenden Objekt zu testen statt in abstrakten Modellen. Das ist prima. Und die Griechen haben gerade beste Chancen, zu Kollektivprobanden eines großen wirtschaftspolitischen Experiments zu werden. Immerhin hat in der Weltgeschichte noch keine Regierung versprechen müssen, so schnell und rabiat ein Staatsdefizit abzubauen – um ein Zehntel der Gesamtwirtschaftsleistung in drei Jahren. Und zwar mitten in der Rezession, was bekanntlich alle anderen Regierungen der Welt als wirtschaftlich kontraproduktiv bis zwecklos ablehnen.
Entsprechend offen scheint, wie das Experiment am lebenden Griechen ausgeht. Es ist gut möglich, dass die Probanden als abschreckendes Beispiel dafür enden, wie man es nicht macht. Dann könnte der große deutsche Lehreifer auf die Deutschen zurückschlagen…
Was es bringt, in der Krise germanischem Maso-Verständnis von Ökonomie zu folgen, können die Griechen ahnen. Vor Wochen stand das erste Stabilisierungspaket. Dann stellte sich heraus, dass die Konjunktur schlechter ist, sodass wieder Milliarden an Steuereinnahmen fehlten und weitere Milliarden zu kürzen waren. Auch für Griechenland gilt, dass jeder Rückgang des BIPs um ein Prozent das Defizit um einen halben Punkt erhöht.
Bei Ökonomen ist derzeit in Mode, wirtschaftliche Phänomene am lebenden Objekt zu testen statt in abstrakten Modellen. Das ist prima. Und die Griechen haben gerade beste Chancen, zu Kollektivprobanden eines großen wirtschaftspolitischen Experiments zu werden. Immerhin hat in der Weltgeschichte noch keine Regierung versprechen müssen, so schnell und rabiat ein Staatsdefizit abzubauen – um ein Zehntel der Gesamtwirtschaftsleistung in drei Jahren. Und zwar mitten in der Rezession, was bekanntlich alle anderen Regierungen der Welt als wirtschaftlich kontraproduktiv bis zwecklos ablehnen.
Entsprechend offen scheint, wie das Experiment am lebenden Griechen ausgeht. Es ist gut möglich, dass die Probanden als abschreckendes Beispiel dafür enden, wie man es nicht macht. Dann könnte der große deutsche Lehreifer auf die Deutschen zurückschlagen…
Was es bringt, in der Krise germanischem Maso-Verständnis von Ökonomie zu folgen, können die Griechen ahnen. Vor Wochen stand das erste Stabilisierungspaket. Dann stellte sich heraus, dass die Konjunktur schlechter ist, sodass wieder Milliarden an Steuereinnahmen fehlten und weitere Milliarden zu kürzen waren. Auch für Griechenland gilt, dass jeder Rückgang des BIPs um ein Prozent das Defizit um einen halben Punkt erhöht.
via Nachdenkseiten.de
the sound für Zwischendurch
Gestern im stattbad gehört und für gut befunden: Die Hamburger Klangschmiede sutsche. Bei myspace gibts Hörproben auch zum Download.
Mar 5, 2010
the happening world
Ich mag Mucki-Buden. Ganz egal, wie belanglos der Tag bis dahin war, wenn ich erstmal dort drin steckte und meine 5 Kilometer lief und die zentnerschweren Hanteln bewegte, dann hatte dieser Tag dennoch etwas Produktives an sich. Ganz besonders, wenn ich die anderen Muckibuden-Besucher beobachten konnte, mir über ihre Motive Gedanken machen konnte. Als ich in Mannheim mit einem Freund in seiner Muckibude trainierte, überlegten wir uns, wie wir Frauen ansprechen könnten, ohne dass es flach 'rüberkäme. Uns fiel einfach nichts ein - was sagt man in so einer Situation schon Geistreiches?? «Gefällt dir die Maschine?» oder «Soll ich dir helfen?» Es war einfach deprimierend.
In meiner jetztigen Muckibude kann einem so etwas nicht passieren. Hier gibt es nichts zu reden, es ist ohnehin oft kaum jemand da. In einem Hinterhof an der Linienstrasse gelegen versprüht dieser Ort der Kraft soviel Charme wie ein verlassenes Krankenhaus in der Zone. Die Typen da drin sind trockener als der Martini in meiner Lieblingsbar in Zürich. Und trotz dieser ganzen nüchternen Atmosphäre wurde ich heute Zeuge einer absolut denkwürdigen Konversation. Ich hatte diese Rothaarige schon die ganze Zeit im Auge gehabt, sie war die einzige Frau im ganzen mickrigen Studio, es waren noch etwa fünf Männer da. Ausgerechnet sie hatte als einzige diese blöden Ohrstöpsel drin, die ich immer als "Talk to the hand"-Zeichen auffasse... vielleicht sollte ich das ignorieren. Auf jeden Fall spricht sie genau mich an und fragt mich, ob diese beiden identischen Maschinen, die nebeneinander stehen, gleich seien. Das haute mich echt um. Ich hatte schon eine Menge einfallsloser Anmachen erlebt, aber das zog mir echt die Schuhe aus. Das Seltsame war, dass es überhaupt nicht platt wirkte, oder vielleicht war ich zusehr von ihren dunklen Augen angetan, auf jeden Fall antwortete ich aufrichtig und führte die Konversation gleich ordentlich weiter. Ich mag Mucki-Buden einfach, und das, was sie mit mir machen.
In meiner jetztigen Muckibude kann einem so etwas nicht passieren. Hier gibt es nichts zu reden, es ist ohnehin oft kaum jemand da. In einem Hinterhof an der Linienstrasse gelegen versprüht dieser Ort der Kraft soviel Charme wie ein verlassenes Krankenhaus in der Zone. Die Typen da drin sind trockener als der Martini in meiner Lieblingsbar in Zürich. Und trotz dieser ganzen nüchternen Atmosphäre wurde ich heute Zeuge einer absolut denkwürdigen Konversation. Ich hatte diese Rothaarige schon die ganze Zeit im Auge gehabt, sie war die einzige Frau im ganzen mickrigen Studio, es waren noch etwa fünf Männer da. Ausgerechnet sie hatte als einzige diese blöden Ohrstöpsel drin, die ich immer als "Talk to the hand"-Zeichen auffasse... vielleicht sollte ich das ignorieren. Auf jeden Fall spricht sie genau mich an und fragt mich, ob diese beiden identischen Maschinen, die nebeneinander stehen, gleich seien. Das haute mich echt um. Ich hatte schon eine Menge einfallsloser Anmachen erlebt, aber das zog mir echt die Schuhe aus. Das Seltsame war, dass es überhaupt nicht platt wirkte, oder vielleicht war ich zusehr von ihren dunklen Augen angetan, auf jeden Fall antwortete ich aufrichtig und führte die Konversation gleich ordentlich weiter. Ich mag Mucki-Buden einfach, und das, was sie mit mir machen.
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Meine Mitbewohnerin fragt: «Und, hat sich dein Vater über den Kuchen gefreut?»
Naja, so wie er eben kann. An einem Abend wie diesem beneidete ich alle Söhne in geordneten Familienstrukturen, vielleicht mit etwas west- oder südeuropäischer Charakterwärme, Anerkennung oder einer allgemeinen Lockerheit, was die Verwandten angeht. So aber fuhr ich ziemlich unzufrieden von der Redaktion wieder nach Hause. Wenn es nicht so verdammt kalt gewesen wäre, hätte ich noch in einer Bar auf dem Weg gestoppt, aber auch so machte mich keine dieser langweiligen Kneipen im minimalistisch-Wohnzimmer-artigen Stil an. Es sind Semesterferien, zum Teufel! Und ich merke es daran, dass zuviel Zeit ist, um sich über alle möglichen Dinge den Kopf zu zerbrechen. Die wenigen Prüfungen, Vorträge und anderen Aufgaben, die es zu erledigen gilt, lassen zu viel Freiraum. Wie angenehm war es noch, als die ganze Hektik und die innere Unrast gar keine Gelegenheit dazu liessen, unzufrieden zu sein.
Naja, so wie er eben kann. An einem Abend wie diesem beneidete ich alle Söhne in geordneten Familienstrukturen, vielleicht mit etwas west- oder südeuropäischer Charakterwärme, Anerkennung oder einer allgemeinen Lockerheit, was die Verwandten angeht. So aber fuhr ich ziemlich unzufrieden von der Redaktion wieder nach Hause. Wenn es nicht so verdammt kalt gewesen wäre, hätte ich noch in einer Bar auf dem Weg gestoppt, aber auch so machte mich keine dieser langweiligen Kneipen im minimalistisch-Wohnzimmer-artigen Stil an. Es sind Semesterferien, zum Teufel! Und ich merke es daran, dass zuviel Zeit ist, um sich über alle möglichen Dinge den Kopf zu zerbrechen. Die wenigen Prüfungen, Vorträge und anderen Aufgaben, die es zu erledigen gilt, lassen zu viel Freiraum. Wie angenehm war es noch, als die ganze Hektik und die innere Unrast gar keine Gelegenheit dazu liessen, unzufrieden zu sein.
Mar 1, 2010
the happening world
Was man für schlappe 50 $ Portokosten aus Übersee so alles geboten kriegt, zeigt mir gerade die Homepage der Kanadischen Post, dort kann ich mit der Tracking-Nummer meiner Bestellung alles genau nachverfolgen. Ich sehe zum Beispiel, dass die Sendung nach meiner Order um 17:10 es in Montreal immerhin noch in die nächste Poststelle geschafft hat. Von dort wurde das, korrekterweise als "international item" identifizierte Objekt dann nach Deutschland verschifft, was geschlagene drei Tage in Anspruch nahm. Der Zoll gab das Päckchen nach einem weiteren Tag Aufenthalt dann frei zum Weitertransport. Seit Samstag sitzen die von mir bestellten Stiefel in einer Postfiliale rum "to verify adress of recipient". Was gibt es da denn zu verifizieren? "XPresspost International" dauert jetzt schon satte 10 Tage!
Feb 19, 2010
the happening world
Ich schwebte aus der letzten schriftlichen Prüfung raus, gab meine Bücher zurück und fuhr Sushi essen. Der Tag war gelaufen, wie Tage im Traum ablaufen: Wirr, wichtig, wurmlochartig.
Dann ging im zum Frisör. Stapfte durch den Matsch auf den Gehwegen der Kollwitzstrasse. Wartete, bis meine Friseuse frei wurde und hatte den Eindruck, dass sich der halbe Laden über mich lustig machte, weil ich Frauenmagazine las, aber etwas Anständiges für Männer hatten die eben auch nicht zu bieten. Als Nora dann kam und wir beratschlagten, was man noch tun könne mit meiner Frisur, stand mein Entschluss fest: Ich musste eine Friseuse kennenlernen! Sie schnitt, zupfte und rasierte eine geschlagene Stunde an mir rum, fand hier noch etwas und dort und machte akrobatische Übungen vor, seitlich und hinter mir, und wenn ich meine Brille aufgehabt hätte, dann hätte ich mich vermutlich an ihrem Friseusenkörper nicht sattsehen können. So aber liess ich alles über mich ergehen und war nachher richtig zufrieden mit dem Schnitt. Ich sagte ihr das, und fügte an, dass sie sich das merken solle, falls ich mal wiederkäme. Erst reagierte sie nicht darauf, sie war etwas hibbelig, touchierte mich manchmal mit der Schere und schniefte ausserdem ständig, so dass ich dachte, «die hat sich vorher noch etwas reingezogen». Dann fragte sie mich aber doch nach meiner Nummer, für den Notfall, wie sie meinte, falls ich bei einem zukünftigen Termin mal nicht auftauchen würde. Nee, ist schon klar.
Dann ging im zum Frisör. Stapfte durch den Matsch auf den Gehwegen der Kollwitzstrasse. Wartete, bis meine Friseuse frei wurde und hatte den Eindruck, dass sich der halbe Laden über mich lustig machte, weil ich Frauenmagazine las, aber etwas Anständiges für Männer hatten die eben auch nicht zu bieten. Als Nora dann kam und wir beratschlagten, was man noch tun könne mit meiner Frisur, stand mein Entschluss fest: Ich musste eine Friseuse kennenlernen! Sie schnitt, zupfte und rasierte eine geschlagene Stunde an mir rum, fand hier noch etwas und dort und machte akrobatische Übungen vor, seitlich und hinter mir, und wenn ich meine Brille aufgehabt hätte, dann hätte ich mich vermutlich an ihrem Friseusenkörper nicht sattsehen können. So aber liess ich alles über mich ergehen und war nachher richtig zufrieden mit dem Schnitt. Ich sagte ihr das, und fügte an, dass sie sich das merken solle, falls ich mal wiederkäme. Erst reagierte sie nicht darauf, sie war etwas hibbelig, touchierte mich manchmal mit der Schere und schniefte ausserdem ständig, so dass ich dachte, «die hat sich vorher noch etwas reingezogen». Dann fragte sie mich aber doch nach meiner Nummer, für den Notfall, wie sie meinte, falls ich bei einem zukünftigen Termin mal nicht auftauchen würde. Nee, ist schon klar.
Feb 18, 2010
the happening world
Meine Mitbewohnerin sagt: «Ist denn die Zahnreinigung beim Arzt unangenehm?» Ich erwidere: «Da muss man eben durch, es ist aushaltbar.»
Ich mag Ärzte einfach. Als ich, voller schlechter Vorahnungen, zu besagter Zahnreinigung gegangen bin, wurde ich von einer total netten Frau überrascht, die hier aufgewachsen war und sich brennend dafür interessierte, wie es denn die Kollegen in der Schweiz handhabten, das mit der Prophylaxe. Sie konnte mir genau erklären, welchen Vorteil ich von einem regelmässigen Zahnarztbesuch habe, was meine Kasse bietet und überhaupt ein paar Geschichten aus dem Zahnarztwesen. Ausserdem war ihre Praxis in einer wunderbar schönen Altbauwohnung eingerichtet, direkt um die Ecke. Zum Arzt muss man ja auch nie weit laufen hier, und meistens sind die ganz nett. Die Ärztin heute stellte sich mit einem Redeschwall vor, aus dem ich nach einigen Minuten herauslesen konnte, dass sie nicht durchführen würde, weswegen ich hergekommen war, weil die Kollegin, die mich überwiesen hat, falsch indiziert hatte. Sie stand vor mir, textete mich auf eine besonders fürsorgliche Art zu, so dass ich mich richtig gut aufgehoben fühlte. Egal, was denn nun komme, es hat bestimmt seine Richtigkeit, liefert positive Ergebnisse, die Praxisgebühr für dieses Quartal hatte ich schon im Januar bezahlt, ich konnte diesen Arztbesuch also uneingeschränkt geniessen. Wenig später, als sie mit dem Ultraschallstift in einer dicken Gelspur auf meiner Brust herumfuhr, unterbrach sie das Notwendige, um zu einer weiteren ausserplanmässigen Erklärung anzusetzen. «Sehen sie, apikal kann ich Ihr Herz gar nicht so gut erkennen, aber hier, hmm, hier ist es viel besser, hmm», murmelte sie, und stellte dann wie erwartet eine Sorglosigkeitsbescheinigung aus.
Ganz so einfach wie im ärztlichen Editorial der vorletzten Titanic war mein Erlebnis nicht: «Willkommen in meinem Editorial! Sie sehen oben einen stabilen grünen Balken, darunter mein Gesicht, daneben die Anrede, und das, was sich in der Leselupe spiegelt, die über die Buchstaben gehalten wird, sind Sie. Schön viele Falten haben Sie gekriegt! Und, wie geht's? So innendrin? Herz pocht noch? Lunge saugt? Milz pumpt? Wunderbar, das macht dann 100 Euro!»
Es hat aber auch nicht 100 Euro gekostet.
Ich mag Ärzte einfach. Als ich, voller schlechter Vorahnungen, zu besagter Zahnreinigung gegangen bin, wurde ich von einer total netten Frau überrascht, die hier aufgewachsen war und sich brennend dafür interessierte, wie es denn die Kollegen in der Schweiz handhabten, das mit der Prophylaxe. Sie konnte mir genau erklären, welchen Vorteil ich von einem regelmässigen Zahnarztbesuch habe, was meine Kasse bietet und überhaupt ein paar Geschichten aus dem Zahnarztwesen. Ausserdem war ihre Praxis in einer wunderbar schönen Altbauwohnung eingerichtet, direkt um die Ecke. Zum Arzt muss man ja auch nie weit laufen hier, und meistens sind die ganz nett. Die Ärztin heute stellte sich mit einem Redeschwall vor, aus dem ich nach einigen Minuten herauslesen konnte, dass sie nicht durchführen würde, weswegen ich hergekommen war, weil die Kollegin, die mich überwiesen hat, falsch indiziert hatte. Sie stand vor mir, textete mich auf eine besonders fürsorgliche Art zu, so dass ich mich richtig gut aufgehoben fühlte. Egal, was denn nun komme, es hat bestimmt seine Richtigkeit, liefert positive Ergebnisse, die Praxisgebühr für dieses Quartal hatte ich schon im Januar bezahlt, ich konnte diesen Arztbesuch also uneingeschränkt geniessen. Wenig später, als sie mit dem Ultraschallstift in einer dicken Gelspur auf meiner Brust herumfuhr, unterbrach sie das Notwendige, um zu einer weiteren ausserplanmässigen Erklärung anzusetzen. «Sehen sie, apikal kann ich Ihr Herz gar nicht so gut erkennen, aber hier, hmm, hier ist es viel besser, hmm», murmelte sie, und stellte dann wie erwartet eine Sorglosigkeitsbescheinigung aus.
Ganz so einfach wie im ärztlichen Editorial der vorletzten Titanic war mein Erlebnis nicht: «Willkommen in meinem Editorial! Sie sehen oben einen stabilen grünen Balken, darunter mein Gesicht, daneben die Anrede, und das, was sich in der Leselupe spiegelt, die über die Buchstaben gehalten wird, sind Sie. Schön viele Falten haben Sie gekriegt! Und, wie geht's? So innendrin? Herz pocht noch? Lunge saugt? Milz pumpt? Wunderbar, das macht dann 100 Euro!»
Es hat aber auch nicht 100 Euro gekostet.
Feb 17, 2010
the happening world
Was macht eigentlich jemand, der vor lauter Beschäftigung mit Quantenmechanik und Festkörperphysik des abends fantasiert, sein Freundeskreis bestehe letztlich nur noch aus den Granden ehemaliger deutscher handfester Forschung: Planck, Einstein, Volmer, Hückel. Richtig, er geht Bücher kaufen. Unter den zart-sakralen Klängen des polnischen DJ-Bruders Jacaszek und der Sonne, die für einmal Berlin einheizt und die Eis-Schmelzzeit einläutet, gehe ich los, um Lektüre zu besorgen: Der grosse Kolumnist Hans Zippert (jetzt in der «Welt», aber was solls) hat voriges Jahr ein Buch herausgebracht, in dem handverlesen die besten seiner Stücke aneinandergereiht sind. Obwohl ich soetwas immer sehr gewollt finde (die Hauruck-Humor-Technik hat etwas unbestimmt Martenstein-Süddeutsches), kann ich nicht umhin, mich nach einem Lacher in den letzten Lerntagen zu sehnen. Zum Beispiel diesem hier:
«Seit Jahren wird in Deutschland beklagt, Ausländer würden sich oft abkapseln, sie lebten isoliert in eigenen Stadtteilen. Doch es ist sogar noch viel schlimmer: Ausländer leben sogar völlig von Deutschland isoliert in eigenen Staaten.»
«Seit Jahren wird in Deutschland beklagt, Ausländer würden sich oft abkapseln, sie lebten isoliert in eigenen Stadtteilen. Doch es ist sogar noch viel schlimmer: Ausländer leben sogar völlig von Deutschland isoliert in eigenen Staaten.»
Feb 5, 2010
the happening world
Inmitten des Trubels des Studiums, der Prüfungen, der Zeitungsarbeit, der Seminarvorbereitung und der generellen Schlammschlacht mit dem Winter hatte ich meinen Zorn wiedergefunden. Der Zorn war am Telefon gekommen, als ich einer Beamtin erklären sollte, weswegen genau ich einen Antrag auf Förderung eingereicht hatte, der so unvollständig und ungerichtet war, dass es ihr in den Augen weh getan haben muss. Ich würde gern mal in diese sogenannte "Zentrale" gehen, um mir die Damen am Telefon genauer anzusehen. Die Frau, die sich um Veranstaltungen und Referenten kümmert, hatte eine ähnliche mutterhafte Stimme und versuchte mit ihrer Aufzählungsredetaktik einschüchternd zu wirken. Die Förderungs-Frau unterschied sich davon wenig und doppelte nach ihrer vernichtenden Analyse noch nach: Sie müsse unbedingt alle Telefonnummern haben, unter denen sie mich erreichen könne. Das zog mir echt die Schuhe aus, die nach dem halbstündigen Gespräch ohnehin nurmehr lose geschnürt waren. Keine Stunde vorher hatte sie mich in der S-Bahn auf dem Handy erreicht, und nun wirft sie mir indirekt vor, dass ich ihr wichtige Kontaktdaten vorenthalte?? Fördert die Landes"zentrale" für Politische Bildung etwa nur Bürger mit Zweithandy? Das Einvernehmen blieb eisig, ihr Lachen, als sie mir "Viel Glück" für die Überarbeitung des Antrags wünschte, klang aber jovial. Vielleicht bin ich tatsächlich noch blind für den Fakt, dass Beamtenfuzzis, selbst wenn sie in der politischen Bildungsförderung arbeiten, hauptberuflich in erster Linie überbürokratische Korrektheit betreiben. Damit lassen sich geschätzte 37 Wochenstunden schliesslich auch füllen. Meinen Zorn auf jeden Fall hatte ich recht unbürokratisch erhalten, und genauso unbürokratisch würde die werte Telefonfrau einen zweiten Antrag bekommen, der auch für Leute mit Leseschwäche verständlich ist.
Jan 24, 2010
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Nach einem nächtlichen Vollrausch im Schwarzsauer ist alles schneller gedreht. Gespräche haben eine fast schon beängstigende Geschwindigkeit und Dringlichkeit, und während man sich noch fragt, warum die anderen Menschen es ebenso eilig und haben wie man selbst, steht man schon an einer ganz anderen Stelle, plappert mit dem Nächsten.
Jan 23, 2010
wir publizieren wieder
Gut, dass Verlinkungen ja gesellschaftsfähig sind im Blogwesen und nicht etwa geächtet, ansonsten könnte ich hier ganz einpacken. Mein erster Text ist bei FURIOS online erschienen, es war eine schwere Geburt. Ich weiss nicht mehr, welche Laune mich geritten hat, als ich Anfang Dezember ganz unvermittelt einen Anti-Streik-Rundumschlag ausführen wollte. War es die Gemütlichkeit des Institutwesens, wo mir alle bisherige Anti-Bologna-Wut ausgetrieben worden war? War es die Grösse der FU, die, und darin Berlin nicht unähnlich, alle Vorhaben zerfliessen lässt? Das Projekt zog sich auf jeden Fall bis jetzt hin. Ich bin gespannt auf bissige Kommentare. Nur zu.
Jan 20, 2010
the happening world
Saal 2, pro Arte Maritim Hotel an der Friedrichstrasse, ungefähr 200 Leute, die meisten älter. An einer kompletten Wand des Foyers stehen Tische mit CDs, Büchern, DVD-Empfehlungen zum Kauf. Nicht gerade billig, das Angebot. Dann endlich sitzen alle. Nach einer recht langen Einleitung endlich die Vorstellung: Hallo, ich bin Robert Betz, dipl. Psychologe, ich war in der Wirtschaft, hatte dann mehrere Krisen und gebe jetzt Lebensberatung. Im grösseren Stil, wie man im Foyer sehen kann. Der Mann hat sich bei seinem Zug durch die Wirtschaft Marketingtechniken genau gemerkt. Schön die Zielgruppe halten. Frauen direkt ansprechen und sich verständig zeigen. Klare Preise, aber nicht knausrig sein, wenns ums Weitergeben geht. Die CDs mit seinen Vorträgen kosten jeweils 15 Euro (nur mal so als Vergleich: Dixons neue «Temporary Secretary» kostet bei iTunes 8.99 €), allerdings ist kopieren und weitergeben ausdrücklich erwünscht. Ich versuche mich in einen Käufer hineinzuversetzen. Der hat gerade die Lizenz zum Glücklichsein erworben, ein Unding, das es in Geschäften schon seit Längerem nicht mehr gibt: Er hat sich einen Wunsch erfüllt UND ist damit in der Lage, anderen ebenfalls einen Wunsch zu erfüllen, ganz legal, im Sinne des Verfassers. Das halbe Foyer schwingt in Harmonie.
Ich bin also dort angekommen, wo mehr und mehr Leute hingelangen, die aufgrund der inneren Leere, ihrer Fragen, Geistererscheinungen oder einer Krankheit auf sich selbst und ihren Körper aufmerksam werden. Robert Betz tritt ihnen mit einem versierten Redeschwall entgegen, der ihnen klarmacht, dass man schon lange auf sie wartet. Bloss ich sitze da und fühle mich fehl am Platz. Woran liegts?
Die Lebenshilfe-Grundlagen, die Robert Betz vermittelt, sind schliesslich nicht von schlechten Eltern. Ohne, dass er gross darüber redet, ist Toleranz anderen und sich selbst gegenüber ein zentraler Punkt, ausserdem Dankbarkeit, Selbstwertgefühl und das Recht auf eigene Wahrheiten. «Jeder Mensch ist von Haus aus ein Schöpfer» - so sein Lieblingsspruch. Dass er den Menschen Mut macht, ist nicht verkehrt, dass er ihnen eine alternative Realität und einen geschützten Raum abseits der normierten Medien und normierten Bürger anbietet, ebensowenig. Womit ich hadere, merke ich erst gegen Ende des knapp dreistündigen Vortrags, als der bekennende Raucher die verteufelten Drogen Alkohol, Zigaretten, Sex, Geld und Macht aus dem Exil zurückholt und allen Süchtigen Absolution erteilt: Ihr dürft geniessen, sagt er, und: Das ist Liebe der Mutter Erde gegenüber. Da heben einige ihre Weingläser und sind ganz froh, dass ihnen endlich jemand erlaubt, geniessen zu dürfen. Hier stocke ich. Denn er tritt genau in die Kerbe, die andere Medien schon geschlagen haben. Die tiefe Verunsicherung des Menschen, die Unmündigmachung: Er holt sie da raus und lässt sich dafür bezahlen. Die Elitenbildung gehört da natürlich mit dazu. Er sagt: Alle fühlen so, nur wir unternehmen etwas dagegen. Die Annahme, dass die Dunkelziffer der Unglücklichen gross ist, mag richtig sein. Einschränkend ist diese Sichtweise aber dennoch. Es gibt schliesslich viele geistige Führer, an die sich die Menschen richten, und die Sektiererei ist etwas, das sie sich direkt bei den Fernsehkanälen und Unternehmen abgeschaut haben.
Vermutlich aber ist mein Erstaunen über das Angebot an Lebenshilfe im Allgemeinen grösser als meine Abscheu. Das Erblicken, mein Erkennen, es soll dazu dienen, dem ganzen aufklärerischen Prozess mit Zuversicht, höchstens mit Gleichgültigkeit gegenüberzustehen. Bei spiritueller Aufklärung gibt es kein schlechter und kein besser. Alles geht aufwärts, und stets erhalten die damit Verbundenen Bestätigung und Antrieb.
Ich bin also dort angekommen, wo mehr und mehr Leute hingelangen, die aufgrund der inneren Leere, ihrer Fragen, Geistererscheinungen oder einer Krankheit auf sich selbst und ihren Körper aufmerksam werden. Robert Betz tritt ihnen mit einem versierten Redeschwall entgegen, der ihnen klarmacht, dass man schon lange auf sie wartet. Bloss ich sitze da und fühle mich fehl am Platz. Woran liegts?
Die Lebenshilfe-Grundlagen, die Robert Betz vermittelt, sind schliesslich nicht von schlechten Eltern. Ohne, dass er gross darüber redet, ist Toleranz anderen und sich selbst gegenüber ein zentraler Punkt, ausserdem Dankbarkeit, Selbstwertgefühl und das Recht auf eigene Wahrheiten. «Jeder Mensch ist von Haus aus ein Schöpfer» - so sein Lieblingsspruch. Dass er den Menschen Mut macht, ist nicht verkehrt, dass er ihnen eine alternative Realität und einen geschützten Raum abseits der normierten Medien und normierten Bürger anbietet, ebensowenig. Womit ich hadere, merke ich erst gegen Ende des knapp dreistündigen Vortrags, als der bekennende Raucher die verteufelten Drogen Alkohol, Zigaretten, Sex, Geld und Macht aus dem Exil zurückholt und allen Süchtigen Absolution erteilt: Ihr dürft geniessen, sagt er, und: Das ist Liebe der Mutter Erde gegenüber. Da heben einige ihre Weingläser und sind ganz froh, dass ihnen endlich jemand erlaubt, geniessen zu dürfen. Hier stocke ich. Denn er tritt genau in die Kerbe, die andere Medien schon geschlagen haben. Die tiefe Verunsicherung des Menschen, die Unmündigmachung: Er holt sie da raus und lässt sich dafür bezahlen. Die Elitenbildung gehört da natürlich mit dazu. Er sagt: Alle fühlen so, nur wir unternehmen etwas dagegen. Die Annahme, dass die Dunkelziffer der Unglücklichen gross ist, mag richtig sein. Einschränkend ist diese Sichtweise aber dennoch. Es gibt schliesslich viele geistige Führer, an die sich die Menschen richten, und die Sektiererei ist etwas, das sie sich direkt bei den Fernsehkanälen und Unternehmen abgeschaut haben.
Vermutlich aber ist mein Erstaunen über das Angebot an Lebenshilfe im Allgemeinen grösser als meine Abscheu. Das Erblicken, mein Erkennen, es soll dazu dienen, dem ganzen aufklärerischen Prozess mit Zuversicht, höchstens mit Gleichgültigkeit gegenüberzustehen. Bei spiritueller Aufklärung gibt es kein schlechter und kein besser. Alles geht aufwärts, und stets erhalten die damit Verbundenen Bestätigung und Antrieb.
Jan 17, 2010
Und sonst so...
Ich muss jetzt mal Werbung in eigener Sache machen: Gestern ist endlich der Blog für das grossartige Seminar «Politik ist eine Kunst» online gegangen. Das ist mein Mammutprojekt für den März, und hoffentlich ein wiederkehrendes Ereignis in Berlin. Dieses Jahr: Politik und Kunst. Wird super. Anmeldewilligen und Interessenten kann ich getrost den Betreiber von PieK anempfehlen, der auch diesen Blog hier schreibt.
Jan 14, 2010
the happening world
rebel:art hat einen Milchmädchenrechner vorgestellt, der in diesen Zeiten echt nötig zu sein scheint. Wir erinnern uns: Dieser Amateur-Blog hat schon im März 2009 vorausgeahnt, dass das einzig Erinnernswerte von 2009 die nach oben offene Finanzhilfen-Skala ist. Selbst die Zeitungen haben für ihre ach so gebildete Leserschaft das mit den Einsen und den vielen Nullen dahinter nochmal ganz klar und schlüssig hergeleitet. Die konsequente Folgerung daraus ist dieser Rechner. Wo soviele Nullen schon stehen, da kommts auf einige mehr oder weniger nicht drauf an. Wunderbar (neben dem Riesen-Display und der schnieken Gold/Holz-Optik) auch die Extratasten unten: Pi mal Daumen, Währungskreislauf, oder gleich Äpfel mit Birnen vergleichen?
Jan 12, 2010
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Sie liegt eine Armlänge (Lichtjahre) entfernt im Bett neben mir. Das Licht des Morgens zeichnet die Silhouette ihres Oberkörpers nach, des Kinns, der Wangen, der Stirn. Eine sehr schöne Silhouette. Ich blinzelte im kühl-grellen Morgenlicht und machte mir Gedanken darüber, wer diese Person im Innersten wohl ist und warum sie hergekommen war. Die Gespräche des Abends fallen mir langsam wieder ein; ihr Lächeln, als ich mehr Wein bestellte; ihr Zurücklehnen; mein Umherschauen; die Gewissheit: Du kommst mit mir.
Ich liess eine Hand in ihre blonde Mähne gleiten und umfasste eine Strähne, spielte mit ihr.
Ich liess eine Hand in ihre blonde Mähne gleiten und umfasste eine Strähne, spielte mit ihr.
Jan 8, 2010
the happening world
Auf edge.org war die Frage des Jahres, ja eigentlich des Jahrzehnts: Wie hat das Internet dein Denken verändert? Diese Frage hat sich jetzt auch in der FAZ niedergeschlagen, in deren Feuilleton der bekennende Internet-Nichtversteher und Feuilleton-Redaktionsleiter Frank Schirrmacher einige der Meinungen von edge.org komponiert. Wie das Internet Schirrmachers Denken beeinfluss hat, lesen wir zum Glück nicht, aber das lässt sich jederzeit anhand seines neusten Buchs veranschaulichen.
Die Stellungsnahmen zur Lotteriefrage von edge.org sind gut ausgesucht und widerspiegeln die Bandbreite, die das Netz besitzt und auf deren voller Länge es unser Leben bestimmt. Einige der Kommentatoren geben sich dem sehenden Auges hin, andere sind in ihrem Handeln vorsichtiger und verordnen sich auch mal netzfreie Wochen. Die Veränderungen, die ich an Mitmenschen beobachte und die ich stets auf den Einfluss der Medien und des Internets zurückführe, tauchen auch in den Texten auf:
A) "Is Google making me stupid?" Aufmerksamkeitsspanne schrumpft, Tiefe der Überlegungen sinkt (ein Unvermögen, dass sich aus Abgelenktheit und physiologischen Ursachen her speist, ein Problem der Hardware also auch), Denken wird seichter.
B) Wo früher die intellektuelle Avantgarde sich über die oberflächlichen Menschen stellte, ist sie heute selbst dort angekommen.
C) Einzigartigkeit geht verloren, da sich viele darauf beschränken, auf Gemeinplätzen zueinander Stellung zu beziehen.
D) Für Informationsbeschaffung werden keine sozialen Fähigkeiten mehr benötigt (Colbert Nation 2006, es geht um online Rollenspiele: «With D&D available on the internet now, today's junior high school pupils are relieved of the agony of any human contact.»
Die Stellungsnahmen zur Lotteriefrage von edge.org sind gut ausgesucht und widerspiegeln die Bandbreite, die das Netz besitzt und auf deren voller Länge es unser Leben bestimmt. Einige der Kommentatoren geben sich dem sehenden Auges hin, andere sind in ihrem Handeln vorsichtiger und verordnen sich auch mal netzfreie Wochen. Die Veränderungen, die ich an Mitmenschen beobachte und die ich stets auf den Einfluss der Medien und des Internets zurückführe, tauchen auch in den Texten auf:
A) "Is Google making me stupid?" Aufmerksamkeitsspanne schrumpft, Tiefe der Überlegungen sinkt (ein Unvermögen, dass sich aus Abgelenktheit und physiologischen Ursachen her speist, ein Problem der Hardware also auch), Denken wird seichter.
B) Wo früher die intellektuelle Avantgarde sich über die oberflächlichen Menschen stellte, ist sie heute selbst dort angekommen.
C) Einzigartigkeit geht verloren, da sich viele darauf beschränken, auf Gemeinplätzen zueinander Stellung zu beziehen.
D) Für Informationsbeschaffung werden keine sozialen Fähigkeiten mehr benötigt (Colbert Nation 2006, es geht um online Rollenspiele: «With D&D available on the internet now, today's junior high school pupils are relieved of the agony of any human contact.»
Fast Sarajevo IXL
Beograd. Kurz vor Abreise, 27.September.
Wir hatten Beograd im gleichen, sanften Morgenlicht wiedergefunden, aber verändert. Für mich war es mehr als einen Monat her, dass ich in der Sava gebadet hatte, aber Andrei war erst kürzlich hier gewesen. In der vorhergehenden Woche sollte ein Festival für Schwule stattfinden, das dann aus Gründen der Sicherheit abgesagt werden musste. Rechtsextreme Gruppen hatten mit eindeutigen Graffitis klar gemacht, dass sie vor Gewalt nicht zurückschrecken würden, falls sich homosexuelle Gruppen auf den Strassen Belgrads versammeln sollten, die Polizei war eingeknickt und liess verlauten, dass sie für die Sicherheit der Festival-Teilnehmer nicht garantieren konnte - «gay pride», das zuletzt 2001 stattgefunden hat, wurde abgesagt.
Als wir vom Bahnhof zum Hostel durch die Fussgängerzone schlenderten, waren uns die vielen schwer ausgerüsteten Polizisten gleich aufgefallen. Von ihnen gab es zu dieser Uhrzeit mehr als Passanten. Wir wunderten uns, machten uns aber keine Sorgen. Erst später erfuhren wir, dass in der vergangenen Woche auch Ausländer Opfer von gewalttätigen Übergriffen geworden waren. Ein frisch verheirateter Mann war von einer Gruppe Jugendlicher zu Tode geprügelt worden, bei Fussballspielen wurden französische Fans angegriffen. Die Grosswetterlage hatte umgeschlagen - ie Stadt Belgrad zeigte ihr zweites Gesicht.
Wir befanden das für unbedenklich, gingen vergnügt shoppen und besichtigten Titos Grabmahl und die Sveta Sava, eine der grössten Kirchen der Welt.
Der Zug nach Zürich via Zagreb und Ljubljana fuhr um kurz nach zehn. Wir waren wie aufgeregte Kinder schon viel früher da, vollgepackt mit Börek und anderem Essen, und natürlich Bier, um die lange Fahrt zuüberstehen. Der Waggon, der bis nach Zürich durchfuhr, war ausgerechnet der modernste und am wenigsten bequemste. Die unnötige Klimaanlage surrte so laut, dass man Ohrensausen bekam, und das 6er Abteil hatte natürlich keine Vorhänge, so dass es selbst nachts hell war. Zu zweit verging die Zeit gut, erst ab Ljubljana war ich alleine und durchfuhr die langen Stunden der Nacht auf den unbequemen Sitzreihen des Westens, in den ich nun zurückkehrte. Ich windete mich, drehte mich auf die eine Seite und gleich wieder zurück.
Zürich war eine schale Stadt, um anzukommen. Der zweckmässige Bahnhof, den ich so gut kannte, machte mit seiner Nüchternheit klar, dass es hier nicht lustig werden würde. Ich setzte mich in den nächsten Regionalzug und fuhr zum Haus meiner Mutter.
Wir hatten Beograd im gleichen, sanften Morgenlicht wiedergefunden, aber verändert. Für mich war es mehr als einen Monat her, dass ich in der Sava gebadet hatte, aber Andrei war erst kürzlich hier gewesen. In der vorhergehenden Woche sollte ein Festival für Schwule stattfinden, das dann aus Gründen der Sicherheit abgesagt werden musste. Rechtsextreme Gruppen hatten mit eindeutigen Graffitis klar gemacht, dass sie vor Gewalt nicht zurückschrecken würden, falls sich homosexuelle Gruppen auf den Strassen Belgrads versammeln sollten, die Polizei war eingeknickt und liess verlauten, dass sie für die Sicherheit der Festival-Teilnehmer nicht garantieren konnte - «gay pride», das zuletzt 2001 stattgefunden hat, wurde abgesagt.
Als wir vom Bahnhof zum Hostel durch die Fussgängerzone schlenderten, waren uns die vielen schwer ausgerüsteten Polizisten gleich aufgefallen. Von ihnen gab es zu dieser Uhrzeit mehr als Passanten. Wir wunderten uns, machten uns aber keine Sorgen. Erst später erfuhren wir, dass in der vergangenen Woche auch Ausländer Opfer von gewalttätigen Übergriffen geworden waren. Ein frisch verheirateter Mann war von einer Gruppe Jugendlicher zu Tode geprügelt worden, bei Fussballspielen wurden französische Fans angegriffen. Die Grosswetterlage hatte umgeschlagen - ie Stadt Belgrad zeigte ihr zweites Gesicht.
Wir befanden das für unbedenklich, gingen vergnügt shoppen und besichtigten Titos Grabmahl und die Sveta Sava, eine der grössten Kirchen der Welt.
Der Zug nach Zürich via Zagreb und Ljubljana fuhr um kurz nach zehn. Wir waren wie aufgeregte Kinder schon viel früher da, vollgepackt mit Börek und anderem Essen, und natürlich Bier, um die lange Fahrt zuüberstehen. Der Waggon, der bis nach Zürich durchfuhr, war ausgerechnet der modernste und am wenigsten bequemste. Die unnötige Klimaanlage surrte so laut, dass man Ohrensausen bekam, und das 6er Abteil hatte natürlich keine Vorhänge, so dass es selbst nachts hell war. Zu zweit verging die Zeit gut, erst ab Ljubljana war ich alleine und durchfuhr die langen Stunden der Nacht auf den unbequemen Sitzreihen des Westens, in den ich nun zurückkehrte. Ich windete mich, drehte mich auf die eine Seite und gleich wieder zurück.
Zürich war eine schale Stadt, um anzukommen. Der zweckmässige Bahnhof, den ich so gut kannte, machte mit seiner Nüchternheit klar, dass es hier nicht lustig werden würde. Ich setzte mich in den nächsten Regionalzug und fuhr zum Haus meiner Mutter.
Jan 5, 2010
Jan 4, 2010
der letzte schernikau
Das Buch wurde in den Feuilletons ziemlich gelobt, es ist aber auch ausnahmlos gut geschrieben und gewissenhaft recherchiert. Es erzählt die Geschichte von drei, oder eher vier Personen, von Ronald M. Schernikau, dem «letzten Kommunisten», einem schwulen Schriftsteller in Berlin, der kurz vor der Wende noch rüber ist, in den Osten. Ausserdem erzählt Autor Matthias Frings viel von sich selber, was sehr unterhaltsam ist und dem ganzen ein Setting gibt. Dann geht es auch um Schernikaus Mutter, die wenige Jahre nach dem Mauerbau auch rüber ist, in Gegenrichtung zu ihrem Sohn später, in den Westen. Ausserdem erzählt das Buch natürlich vom berauschenden Berlin und insbesondere Kreuzberg der 80er. Nicht so eine schwuchtelige Sozialanalyse, die alle Klassen abdeckt in Mitte oder Prenzlauer Berg. Eine plastische, effektreiche und in einem netten Mikrokosmos angesiedelte Geschichte übers Schwulsein in der Frühzeit, politische Einstellungen, der Kampf dafür und Freundschaften.
Die taz hat mit dem Autor ein Interview geführt, Rezension aus der FAZ, von Dietmar Dath, ihrem eigenen linken Hofschriftsteller.
Die taz hat mit dem Autor ein Interview geführt, Rezension aus der FAZ, von Dietmar Dath, ihrem eigenen linken Hofschriftsteller.
Jan 3, 2010
the happening world
Meine Mitbewohnerin sagt: «Du klingst wie ein 70jähriger Opa!»
Und das, bloss weil ich an einem Sonntag, dem letzten Ferientag immerhin, geäussert habe, dass es ein super Tag sei und ich einen Spaziergang machen möchte. Kurze Zeit später wird sie mir vorschwärmen, dass sie die Sonne und das Meer im nahen Osten sosehr vermisst, sich mit dem Winter in Berlin zwar arrangieren kann, aber eben, das Meer...
Bei solchen Träumereien bin ich für meinen Pragmatismus dankbar, so opahaft er auch sein mag. Was für eine Zeitverschwendung, sich in ein Zimmer mit offenen Fenstern und Meerblick zu wünschen, wo man der saudade frönen kann. Wieviel nüchterner meine Herangehensweise, die Laune auf südliche Länder für den Urlaub aufzusparen, und sich erstmal im Winter zurechtzufinden. Wir haben genug zu lesen, ein prächtiges Abendessen vor uns, und gerade klart es mal wieder auf. Aber so läuft das eben nicht in Deutschland, und vor allem nicht in Berlin: Es muss schon Fernweh sein, am liebsten einmal morgens, mittags und abends, vermischt mit der Verkündung des Mangels der halb-kontinentalen Wohnlage hier. So stand es einst auch in der ehemaligen Kunstzeitung Liebling. «Die Deutschen wollen sich ihre perfekte Welt zurechtträumen, herbeimoralisieren.» Einfach dort hinzufahren, wo es sie möglicherweise gibt, kommt nicht in die Tüte.
Und das, bloss weil ich an einem Sonntag, dem letzten Ferientag immerhin, geäussert habe, dass es ein super Tag sei und ich einen Spaziergang machen möchte. Kurze Zeit später wird sie mir vorschwärmen, dass sie die Sonne und das Meer im nahen Osten sosehr vermisst, sich mit dem Winter in Berlin zwar arrangieren kann, aber eben, das Meer...
Bei solchen Träumereien bin ich für meinen Pragmatismus dankbar, so opahaft er auch sein mag. Was für eine Zeitverschwendung, sich in ein Zimmer mit offenen Fenstern und Meerblick zu wünschen, wo man der saudade frönen kann. Wieviel nüchterner meine Herangehensweise, die Laune auf südliche Länder für den Urlaub aufzusparen, und sich erstmal im Winter zurechtzufinden. Wir haben genug zu lesen, ein prächtiges Abendessen vor uns, und gerade klart es mal wieder auf. Aber so läuft das eben nicht in Deutschland, und vor allem nicht in Berlin: Es muss schon Fernweh sein, am liebsten einmal morgens, mittags und abends, vermischt mit der Verkündung des Mangels der halb-kontinentalen Wohnlage hier. So stand es einst auch in der ehemaligen Kunstzeitung Liebling. «Die Deutschen wollen sich ihre perfekte Welt zurechtträumen, herbeimoralisieren.» Einfach dort hinzufahren, wo es sie möglicherweise gibt, kommt nicht in die Tüte.
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